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11. Kapitel--IV: Der Bewährungsgedanke 1911: Die Juden und das Wirtschaftsleben von Werner Sombart: Zweiter Abschnitt - 11. Kapitel: Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben
11. Kapitel: Die Bedeutung der jüdischen Religion für das Wirtschaftsleben
IV. Der Bewährungsgedanke
Der Vertragsidee, die zu den tragenden Ideen des jüdischen Religionssystems gehört, entspricht es, daß dem, der den Vertrag erfüllt, Lohn zufalle, dem, der ihn verletzt (nicht erfüllt), Schaden erwachse. Das heißt: der jüdischen Religion ist zu allen Zeiten, die juristisch-ethische Annahme eigen gewesen, daß es dem „Gerechten“ gut und dem „Gottlosen“ schlecht ergehe. Gewandelt hat sich im Lauf der Zeiten nur die Auffassung von dem Wesen und der Art solcher „Vergeltung„.
Das ältere Judentum kennt, wie man weiß, kein Jenseits, Wohl und Wehe, das der Mensch erleidet, kann er also nur in dieser Welt erleiden. Will Gott strafen, will er belohnen: er kann es nur, so lange der Mensch auf Erden lebt. Hier also muß es dem Gerechten wohlergehen, hier muß der Gottlose Leid erfahren. Tue meine Gebote, spricht der Herr: „auf daß Du lange lebest und auf daß es Dir wohlgehe im Lande, welches Jahve, dein Gott, dir gibt„,
Und darum schreit Job gen Himmel: Warum leben die Frevler, altern, wachsen gar an Kraft? Ihr Same besteht vor ihnen, gleich ihnen und ihre Sprößlinge vor ihren Augen. Ihrer Häuser in Frieden, ohne Furcht, und Gottes Rute kommt nicht über sie. Sein Stier befruchtet und verschmähet nicht; seine Kuh kalbet und verwirft nicht …… Meinen Pfad aber hat er umzäunt, daß ich nicht hinüber kann, und auf meine Stiege Finsternis gelegt; es entbrannte über mich sein Zorn und er achtete mich als seinen Feind. Meine Brüder hat er von mir entfernt. An Haut und Fleisch Hebt mein Gebein …… Warum, all dies Elend über mich, da ich stets auf Seinen Pfaden wandelte?
Bald nach Esra dringt der Glaube an eine überirdische Welt (Olam ha-ba), an die Fortdauer der Seele nach dem Tode, bald auch der Glaube an die Auferstehung des Leibes in das Judentum ein. Dieser Glaube kam aus der Fremde, wahrscheinlich aus dem Parsismus. Er wurde aber wie alle Bestandteile fremder Religionssysteme dem Geiste des jüdischen Glaubens gemäß umgeformt und erhält das diesem entsprechende Gepräge des Ethi Asmus durch die Einschränkung: daß nur die Frommen und die Gerechten auferstehen werden. Der Ewigkeitsglaube wird also von den Sopherim in die alte Vergeltungslehre hineingearbeitet, und geschickt dazu benutzt, „das Gefühl der sittlichen Verantwortung„, das heißt also die Furcht vor den Gerichten Gottes, noch weiter zu steigern (452).
Das „Wohlergehen auf Erden“ gewinnt dadurch natürlich im Religionssysteme (und in der Vorstellungswelt des Gläubigen) eine andere Bedeutung: es ist jetzt nicht die einzige Belohnung gerechter Lebensführung, der Lohn im Jenseits kommt hinzu. Aber zunächst bleibt doch der Segen des Herrn in dieser Welt neben dem seligen Leben in jener Welt als wertvoller Teil des Gesamtlohns bestehen. Und daneben wird noch ein anderer Sinn des irdischen Glücks offenbar: Das „Wohlergehen auf Erden“ wird als ein Zeichen angesehen, daß man ein dem Herrn wohlgefälliges Leben führe (also auch im Jenseits auf Belohnung rechnen dürfe). Im indischen Glück tritt die Gerechtigkeit zutage: bewährt sich die echte Frömmigkeit. Zwar steht man vor einem unheilvollen Schicksal nicht mehr ganz verständnislos; man versucht es als Strafe zu deuten, die Gott dem Gerechten schickt, um ihn für Übertretungen zu strafen, ohne daß man sein „Lohnkapital“ im Himmel verringert. Aber froher fühlt man sich doch, wenn der Gerechte vom Glück begünstigt ist: wenn Gottes Segen schon hienieden auf ihm ruht: dann ist seiner Seele ewige Seligkeit um so sicherer gewährleistet.
Die „Güterlehre“ (wenn man von einer solchen im Rahmen des jüdischen Religionssystems überhaupt sprechen will) empfängt, danach (insbesondere auch durch die Chkmah, die für die talmudisch-rabbinische Theologie in diesem Punkt vielfach richtunggebend geworden ist, und die für das praktische Leben jedenfalls die größte Bedeutung erlangt hat dadurch, daß ihre Lehren unmittelbar von den Laien aufgenommen wurden), die „Güterlehre“ empfängt dadurch in der jüdischen Religion folgende deutlich umrissene Gestalt: Oberstes Lebensziel bleibt es, die Gebote Gottes zu erfüllen. Ein von Gott losgelöstes, irdisches Glück kann es nicht geben. Töricht wäre es deshalb, die irdischen Glücksgüter zu suchen um ihrer selbst willen. Aber weise ist es, sie zu suchen als ein in die göttliche Zweckordnung eingefügtes Gut, sodaß sie als Leichen und Unterpfünder göttlichen Wohlgefallens, als ein mit der Gerechtigkeit als Lohn verknüpfter göttlicher Segen hingenommen werden. Zu den Glücksgütern, dieser Erde gehört aber nach dieser Auffassung zweifellos auch ein wohlbestelltes Haus: gehört materielles Wohlbefinden, gehört, Reichtum.
Wenn wir die jüdischen Religionsquellen durchlesen — von denen in diesem Falle vor allem die heiligen Schriften und der Talmud in Betracht kommen — da die Güterlehre als nicht halachischen Charakters von den „Entscheidungsschriften“ kaum berührt wird —, s0 lassen sich allerdings einige ganz wenige Stellen, nachweisen, in denen die Armut als das höhere Gut gegenüber dem Reichtum gepriesen wird. Aber diesen wenigen Stellen stehen gewiß Hunderte und Aberhunderte gegenüber, die den Reichtum preisen, die ihn als einen Segen des Herrn betrachten und höchstens vor seinem Mißbrauch oder vor den Gefahren warnen, die er im Gefolge hat. Gelegentlich wird auch wohl gesagt, daß Reichtum allein nicht glücklich mache, man müsse auch mit andern Gütern daneben (z. B. mit Gesundheit) gesegnet sein oder: das andere Güter ebenso viel wert seien (oder wertvoller) als Reichtum. Aber damit ist doch noch nichts gegen den Reichtum gesagt; ist vor allem nicht gesagt, daß er Gott ein Agernis sei.
Als ich diese Auffassung in einem öffentlichen Vortrage vertrat, habe ich nachher viel Widerspruch erfahren. Ja, kaum ein anderer Punkt meiner Ausführungen hat mir so viel Gegner eingebracht als die Behauptung: in der jüdischen Religion werde der Reichtum (und der Gütererwerb) als ein wertvolles Gut gepriesen. Verschiedene meiner Kritiker (unter denen sich mehrere angesehene Rabbiner befinden) haben sich in liebenswürdiger Weise der Mühe unterzogen, die Bibel- und Talmudstellen in brieflichen und gedruckten Entgegnungen aufzuzählen, die ihrer Meinung nach meine Ansicht widerlegten. Ich erwidere darauf, was ich vorhin schon sagte: daß sich zweifellos in Bibel und Talmud Aussprüche nachweisen lassen, die den Reichtum mindestens als eine Gefahr für den Gläubigen betrachten und die Armut preisen. In der Bibel sind es vielleicht ein halbes Dutzend; im Talmud etwas mehr. Das Wichtige ist aber, daß sich jeder solchen Stelle gleich zehn entgegenhalten lassen, die von dem andern Geiste erfüllt sind. Und in solchem Falle kommt es wirklich auf die Masse an. Ich habe mich immer so etwa gefragt: denken wir uns den alten Amschel Rothschild am Freitag abend, nachdem er eben an der Börse, eine Million „verdient“ hat, seine heilige Schrift vornehmen und darin Erbauung suchen; was kann er ihr entnehmen; welche Bedeutung hat die Erinnerung an die eben erworbene Million für die innere Läuterung, die der alte fromme Jude am Sabbatvorabend gern durchmachen möchte: wird das erworbene Geld, auf seiner Seele brennen? oder wird er sich nicht vielmehr sagen dürfen (mit gutem, reinem Gewissen sagen dürfen):
„Gottes Segen hat auch in dieser Woche auf mir geruht; ich danke Dir, Herr, daß Du Deinen Knecht mit Deinem Lichte, abermals begnadet hast, (Die Konsequenzen, die der Millionenerwerb, damit ich Dir wohlgefalle, für mich im Gefolge, hat, werde ich schon ziehen: reichlich Almosen geben und Deine Gebote noch strenger erfüllen als bisher)“.
So wird er sprechen, wenn er seine Bibel gut kennt (und er kennt sie gut!).
Denn auf folgenden Stellen der heiligen Schriften kann sein, Auge mit Wohlgefallen ruhen:
In seiner geliebten Thora wird er immer und immer wieder den Segen des Herrn lesen (z. B. Deut. 7. 13—15): „Und wird Dich lieben und segnen und mehren, und wird die Frucht deines Leibes segnen und die Frucht deines Landes, dein Getreide, Most und Ol, die Früchte deiner Kühe und die Früchte deiner Schafe auf dem Lande …… Gesegnet wirst du sein über allen Völkern …..“. Und vor allem wird sich sein Herz erheben, wenn er an die Worte kommt: „Der Herr dein Gott wird dich segnen, wie er dir geredet hat. So wirst du vielen Völkern leiben und du wirst von niemandem borgen.“ (Deut 15, 6: vgl. 28, 43. 44. Ps. 109, 11.).
Und wenn er in den Paalmen liest, dann vernimmt er folgende Worte:
„Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen; denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel“ (Ps. 34, 10).
„Der Herr kennet die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben. Sie werden nicht zusehanden in der bösen Zeit, und in der Teurung werden sie genug haben“ (Ps. 37, 18).
„Du — Herr — suchest das Land heim und wasserst es und machst es sehr reich. Gottes Brünnelein hat die Fülle …… Du krönest das Jahr, mit Deinem Gut und Deine Fustapfen triefen von Fett“ (Ps. 65, 10—12)
„Heil dem Mann, der Jahve fürchtet, an seinen Geboten große Lust hat …… Reichtum und Überfluß ist in seinem Hause.“ (Ps. 112, 1. 3.).
„Unsere Speicher seien voll, allerlei Vorrat ausspendend; unsere Schafe tausend-, zehntausendfaltig sich mehrend auf unseren Triften.“ Ps. 144, 13.)
Und er wird sich freuen mit Job, wenn er den Schluß der Leidensgeschichte dieses Schwergeprüften liest und vernimmt: „Und der Herr segnete hernach Job mehr denn vorhin, daß er kriegte 14 000 Schafe und 6000 Kamele und 1000 Joch Rinder und 1000 Esel“ usw. (Denn unser Amschel hat ja — glücklicherweise — noch nichts von der modernen „Bibelkritik“ gehört und weiß deshalb auch nicht, daß im Buche Job 42, 12 ein spätes Einschiebsel ist).
Auch die Propheten versprachen dem Volke Israel, wenn es seinen Weg zu Jahve zurückfindet, reichen Lohn an irdischen Glücksgütern. Freund Amschel wird etwa Jesaias aufschlagen und daselbst im 60. Kapitel lesen, daß die Völker Israel ihr Gold und Silber selbst darbringen werden.
Aber am liebsten holt sich der alte Amschel Erbauung aus den Sprüchen Salomonis (453)
(„die ja am prägnantesten die im jüdischen Volke herrschenden Lebensanschauungen zum Ausdruck brachten wie mir ein Rabbiner schreibt, der gerade aus den Proverbien mir beweisen wollte, wie irrtümlich meine Ansicht sei und „wie wenig die Bibel zur Erwerbung von Reichtümern, aneifert“ unter Berufung auf Prov, 22, 1. 2. 23, 4: 28, 20, 215 30, 8, deren ich gleich gedenke).
Er findet darin die Mahnung, daß man dem Reichtum allein nicht alles Glück verdankt 20, 1, 2: daß man im Reichtum Gottes Gebote nicht vernachlässige: 30, 8; daß man im „Hasten nach Reichtum“ leicht zu Falle kommen könne: „wer aber eilet sich zu bereichern, bleibt nicht ungestraft“. (Er „eiler gar nicht, wird er sich zum Troste sagen). Bedenken auf einen Augenblick könnte ihm der einzige Spruch (23, 4) bereiten: „Mühe dich nicht reich zu werden; von (dieser) deiner Klugheit laß ab. Er wird aber sofort das Lästige dieser Mahnung dadurch aus seinen Gedanken tilgen, daß er sie in Zusammenhang bringt mit 23. 1—3, wo es heißt: „Setzest Du dich zum Essen mit einem Herrscher, so merke wohl, wen du vor dir hast und setze ein Messer an deine Kehle, wenn du gierig bist! Laß dich nicht gelüsten nach seinen Leckerbissen; denn es ist betrügerische Speise ……..“
Aber vielleicht liest er auch über die sechs Worte hinweg, die sechs einzigen Worte in den „Sprüchen“, die eine ausdrückliche Abmahnung, reich zu werden, zu enthalten scheinen; und wird sich statt dessen an den vielen Stellen erbauen, die gerade in den „Sprüchen“ den Reichtum preisen (von ihnen schrieb mein verehrter Rabbiner merkwürdigerweise gar nichts.). Sie sind so zahlreich, daß man sagen kann: sie geben geradezu den Ton ab, auf den die Proverbien (wie die Cholmah überhaupt) gestimmt, sind. „Unerschöpflich sind die Proverbien in Schilderungen der reichen Segnungen, welche aus wahrer Weisheit entspringen“.
Hier nur einige Proben:
- „Langes Leben ist in ihren (der Weisen) Rechten; in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“ (8, 16.)
- „Im Hause des Gottlosen ist der Fluch des Herrn; aber das Haus des Gerechten wird gesegnet (3, 33).
- „Reichtum und Ehre ist bei mir, glänzender Wohlstand und Wohltätigkeit“ (8. 18).
- „Des Reichen Habe ist ihm eine feste Stadts (10, 15).
- „Der Weisen Krone ist ihr Reichtum“ (14, 24).
- „Im Hause des Gerechten ist viel Reichtum; aber im Einkommen der Frevlers ist Zerrüttung“ (15, 6).
- „Die Folge der Demut, der Furcht Jahves ist Reichtum, Ehre und Lebens (22, 4).
Zur Chokmahliteratur rechnet man, wie wir sahen, den Prediger und die Weisheit Salomonis.
Das Buch Kohelets ist ja nun freilich nicht auf einen Ton abgestimmt und steckt, dank der zahlreichen Einschiebsel, voller Widersprüche. Aber selbst in ihm fand der Fromme nirgends eine Stelle, in der der Reichtum verdammt wäre, höchstens einige, die etwas wie Verachtung des Reichtums predigen. Dafür aber selbst dort in zahlreichem Wiederholen den Preis des Reichtums;
„Wenn irgend einem Menschen Gott Reichtümer und Güter gegeben und ihm gestattet, davon zu geniesen und sich zu freuen seiner Mühe, das ist ein Geschenk Gottes“ (5. 18);
„Einer, dem Gott Reichtum und Güter und Ehre gibt …… aber Gott gestattet ihm nicht davon zu genießen, sondern ein Fremder geniest es. Das ist eitel nur ein schlimmes Übel“ (6, 2).
„Um sich zu ergötzen, bereitet man Speise, und der Wein erfreuet die Lebendigen, und das Gold gewähret alles“ (10, 19)
„Am Morgen sie deinen Samen, und auch am Abend lass deine Hand nicht ruhen.“
In der Weisheit Salomos verkünden folgende Stellen den Preis des Reichtums;
- „Es kam mir aber alles Gute zugleich mit ihr (der Weisheit) und unzähliger Reichtum in ihren Händen“ (7. 11).
- Die Weisheit …….. „machte ihn wohlhabend durch Arbeit und segnete seine Bemühungen. Bei der Habsucht derer, so ihn unterdrückten, stand, sie ihm bei und bereicherte ihn (10, 10. 11)
Offenbar ist es immer die spezifisch jüdische Lebensweisheit, die in diese eklektischen Schriften spätgriechischer Prägung die weltbejahende Hochwertung der irdischen Glücksgüter hinein trägt und oft ganz unvermittelt neben weltmüde Reden griechischer Philosophen hinsetzt.
„Voll weiser Sprüche ist auch das Buch des Jesus, Sohnes, des Sirach, das „noch mehr in den Volksanschauungen wurzelte: (schreibt mir mein Rabbiner), und das der alte Amschel Rothschild deshalb gewis auch gern zur Hand nahm. Wenn etwa ein erwerbsfeindlicher Rabbi ihm aber aus den Sprüchen des Jesus Sirach hätte beweisen wollen, wie sehr der Reichtum verderblich sei, wie „der Reiche dort beinahe zum Freyler gestempelt und der Reichtum als Quelle der Sünde hingestellt“ werde und sich dabei auf Kap, 10—13 berufen hätte, so würde er ihm geantwortet haben: „Du irrst, Rabbi. An jenen Stellen wird nur vor den Gefahren des Reichtums gewarnt, wie z. B. auch an der von dir mir nicht vorgehaltenen Stelle: 31 (34), 3ff. Aber es wird dort gerade auch gesagt: daß der Reiche, wenn er die Gefahren vermeidet, er darum nur um so mehr Verdienst erwirbt als der Arme, der die Gefahren gar nicht gekannt hat. Denn es heißt daselbst: Heil dem Reichen, der unsträflich erfunden wird ….. Wer ist er, daß wir ihn preisen: Denn er hat Bewundernswertes getan unter seinem Volke. Wer ist …… versucht und vollkommen erfunden worden? Er habe Ruhm! Wer konnte übertreten und übertrat nicht, und Böses tun und tatt’s nicht. Gesichert bleiben seine Güter, und seine Wohltaten wird die Gemeinde verkünden (3184, 8—11). Und warum, Rabbi (wird Amschel Rothschild weitersprechen), nennst du mir nur diese Stellen und verschweigst die andern, in denen wohl geredet wird von dem Manne, der es zu vielen Millionen gebracht hat, warum verschweigst du mir dieses:
- „Güte gegen den Vater wird nicht vergessen werden, und anstatt Sündenstrafen wird dir Wohlstand werden (3, 16)
- Der Reiche, der Angesehene und der Arme — ihr Ruhm ist die Furcht des Herrn (10, 25).
- Besser ist, wer arbeitet und an allem Uberfluß hat, als wer stolz tat und an Brot Mangel leidet (10, 30).
- „Ein Armer wird geehrt um seiner Klugheit willen und ein Reicher, um seines Reichtums willen (der eben seine Klugheit beweist, (10, 33).
- „Wer aber in Armut geehrt wird, wie viel mehr in Reichtum. Und wer in seinem Reichtum verachtet wird, wie viel mehr in Armut“! (10, 34).
- Armut und Reichtum kommt von dem Herrn“ (11. 14).
- Der Segen des Herrn ist der Lohn des Frommen, und in kurzer Zeit läst er seinen Segen erblühen“ (11, 28).
- Gut ist der Reichtum, wobei keine Sünder (13, 20.(
- „Erwirb dir Vertrauen bei deinem Nächsten in der Armut, damit duzugleich an seinem Wohlergehen teilnehmen kannst (21, 28).
- Zur Zeit der Not halten aus bei ihm, damit du bei seiner Erbschaft miterbest (21, 29).
- Bei wenig und viel sei zufrieden (29. 30)
- Gold und Silber erhalten auf festem Fus) (40, 25).
- Reichtum und Stärke erhöhen den Mut (40, 26).
- Besser sterben als betteln (40, 29).
- Das Erbe der Kinder der Sünder schwindet (41, 9)
- Dieser Dinge schäme dich nicht:
- wegen des Erwerbes von viel oder wenig,
- wegen des Gewinnes bei Kauf oder Verkauf (42, 1. 4. 5).
Und sollte ich mich, Rabbi“, so endigte Amschel Rothschild, seine Ansprache, „meiner Millionen schämen, sollte ich sie nicht vielmehr stolz als Gottes Segen empfinden, wenn der weise Jesus, der Sohn des Sirach, von Salomo, dem großen Könige spricht, (47, 19. 20): „Im Namen Gottes des Herrn, der da heißet Gott Israels, sammeltest du Gold wie Zinn, und wie Blei häuftest du Silber? Ich werde hingehen und auch im Namen Gottes des Herrn sammeln das Gold wie Zinn und Silber wie Blei, Rabbi“.
Angesichts solcher welt- und güterfrohen Anschauungen, wie sie aus dieser und aus allen andern für den frommen Juden wichtigen Schriften der Bibel sprechen, vermochte sich natürlich keine reichtumsfeindliche Lehrmeinung jemals zu entwickeln, s0 sehr die späteren Zeiten dazu Anlaß bieten mochten. Aber auch im Talmud gibt es doch zahlreiche Stellen, die auf ganz denselben Ton wie der Bibeltext gestimmt sind: Reichtum ist ein Segen, wenn der Reiche in Gottes Wegen wandelt, und Armut, ist ein Fluch. Und nirgends wohl wird der Reichtum verpönt. Um wenigstens ein paar solcher Aussprüche hier wiederzugeben:
- „Rab Jahada im Namen Rabs lehrte (es heist Deut. 15, 4): „Es soll jedoch kein Dürftiger unter dir sein.“ Das Deinige geht dem aller übrigen Menschen vor: (B. Mez. 306.
- „Wer die Thora in der Armut hält, wird sie zuletzt im Reichtum walten“ (Abot IV. 9.
- „Es gibt 7 Eigenschaften, die eine Zierde für den Frommen und für die Welt sind: eine der 7 ist Reichtum (Ab. VI. 89).
- „Der Mensch … wende sich im Gebete zu dem, dessen ist der Reichtum und die Besitztümer ……. In Wahrheit kommen beide, Reichtum und Arbeit nicht vom Geschäft, sondern alles geht nach Verdienst“ (Kidd. 82a)
- „Es heist Ex. 2, 3: „Da nahm sie (Moses Mutter) für ihn ein Kästchen von Rohr.“ Warum insbesondere von Rohr? R. Eleasar hat gesagt: „Daraus geht hervor, das die Gerechten (Frommen) ihr Geld mehr lieben als ihren Körper“ (Sotta 12.).
- „Rabba ehrte die Reichen, ebenso ehrte R. Aquida die Reichen“ (Ernb. 86.).
- „Die Rabbanen lehrten: Wer ist reich? Wer an seinem Reichtum Zufriedenheit findet — Worte R. Meirs. R. Triphon sagt: Wer 100 Weinberge, 100 Felder und 100 Knechte zu deren Bearbeitung hat. R. Aquibasagt: Wer eine Fran hat, die schön ist in ihrem Betragen. R. Jose sagt: Wer den Abtritt in der Nähe seines Tisches hat“ (Sabb. 251)
- „Wer das Geld im Zorn ohne Berechnung verschleudert, der wird nicht früher abberufen, bis er an die öffentliche Unterstützung angewiesenist“ (R. Nathans Ethik a. a. O. S. 27).
- „in der Zeit der Not lernt der Mensch am besten den Wert des Reichtums schätzen“ (ib. S. 28).
- „Wer den R. Elessar b. Asarjah im Traume sieht, der hoffe auf Reichtum“ (ib. S. 187).
- „Wer das Buch der Könige im Traume sieht, der hoffe auf Reichtum (S. 188).
Entsprechend der von der schriftlichen wie mündlichen Tradition gleichmäßig verkündeten Botschaft von dem Reichtum und dem Wohlergehen als dem Segen, den Gott den Gerechten, spendet, ist denn auch, soviel wir zu erkennen vermögen, die tatsächliche Weltauffassung der Juden zu allen Zeiten eine massiv irdische gewesen, deren Diesseitigkeit (trotz aller Jenseitshoffnungen!) durch den Messianismus noch eine starke Stütze, erhielt. Ansätze zum (außerweltlichen) Asketentum, zur Weltflucht hat es auch im Judentum gegeben: im 9. Jahrhundert, als die Karder sich zu mönchischer Lebensweise zusammentaten, im 11. Jahrhundert, als Bachja Ihn Pakuda in Spanien predigte.
Aber solche Richtungen haben niemals im Judentum Boden gefaßt, das vielmehr in allem seinem Elend immer weltbejahend und reichtumsfroh durch seine Religion erhalten worden ist.
Die Juden stehen damit im schroffsten Gegensatze zu den Christen, denen die Religion die Freude an dieser Welt nach Kräften zu vergällen versucht hat. Ebensoost wie in den Schriften, des Alten Testaments der Reichtum gepriesen wird, ebensooft wird er im Neuen Testament verflucht, wird die Armut verherrlicht. Die ganze Weltflüchtigkeit und Weltverachtung des Essers ist ja in die Evangelien hineingeflossen. Man denke nur an Matth. 6. 21; 10, 9. 10; 19, 23. 24 und vergleiche damit die zahlreichen Parallelstellen, „Leichter ist, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Himmelreich komme„: Dieses eine Wort, dem sich viele zur Seite setzen lassen, baut ja das ganze Religionssystem auf grundsätzlich anderm Fundament als das Judentum auf. Ihm entspricht kein einziger Satz im ganzen alten Testamente und gewiß auch nicht in der gesamten talmudisch-rabbinischen Theologie.
Es bedarf nicht erst viele Worte, um zu zeigen, welche grundverschiedene Stellung der fromme Jude und der fromme Christ zum Erwerbsleben einnehmen müssen. Dieser muß ja immer erst mit Aufwendung von allerhand Kunstkniffen das reichtums- und erwerbsfeindliche Esssertum aus seinen heiligen Schriften weginterpretieren. Welche Seelenangst muss der reiche Christ ausstehen, da ihm das Himmelreich verschlossen ist, gegenüber dem reichen Juden, der, wie wir sehen, „im Namen Gottes“ Gold wie Zinn und Silber wie Blei sammelt.
Daß diese weltflüchtige Religion den Christen lange Jahrhunderte Hindernisse in ihrem Erwerbsleben bereitet hat, ist bekannt: „infructuosi in negotiis dicimur„, sagt Tertullian. Und außer allem Zweifel steht es, daß die Juden diese Hindernisse niemals gekannt haben. Je frömmer ein Jude war, je besser er in seinen Religionsschriften Bescheid wußte, desto mehr Antrieb zum Erwerben muste er aus den Lehren seines Glaubens schöpfen. Ein wunderhübsches Beispiel dafür, wie sich in wahrhaft frommen Judenherzen die Erwerbsinteressen mit den Religionsinteressen aufs innigste verschmelzen, bieten wiederum die Memoiren unserer Glückel von Hameln:
- „Gelobt sei Gott, der gibt und nimmt, der getreue Gott, der unsern Schaden allemal wieder so reichlich ersetzt“ (S. 173).
- „Also … hat mir (mein Mann) …. einen großen Brief geschrieben, eitel Trost, daß ich mich doch sollt‘ zufrieden geben, Gott — sein Name sei gelobt — werde uns an anderer Stelle alles wiedergeben, welches auch geschehen ist“ (S. 155) ….
- Mein Mann …. „hat auf dieser Messe wieder Tausende verdient, wofür dem Höchsten gedankt sei, der seine Gnade und Barmherzigkeit nicht von uns abgetan hat“ (eb.).
- Die Reise hat uns über 400 Reichstaler gekostet) „Aber wir haben es nicht viel geachtet, denn wir sind Gott sei Dank — in großen Geschäften gesessen, Gelobt sei Gott, der seine Gnade und Wahrheit nicht von uns genommen hat“ (S. 146).
Und so ähnlich an vielen andern Stellen.
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