Transmutation von radioaktiven Abfällen

Lassen sich die von mir vorgeschlagenen Reaktionen auf die Beseitigung von radioaktiven Abfällen anwenden?

 

Auf den ersten Blick mag man einwerfen, diese Reaktionen seien nicht in Gegenwart radioaktiver Phänomene beobachtet worden. Doch sollte man eine mögliche Anwendung nicht von vornherein ausschließen, ohne sie genauer untersucht zu haben, und ich habe keine Studien mit radioaktiven Substanzen durchgeführt.
Ein Einwand erhebt sich: Da die untersuchten Transmutationsreaktionen auf biologischer Ebene ablaufen, kann man unmöglich annehmen, Mikroorganismen seien in der Lage, radioaktive Abfälle in stabile Nuklide umzuwandeln.

 

Den zerstörerischen Effekt radioaktiver Strahlung setzt man schließlich zum Abtöten von Zellen und zur Sterilisierung verschiedener Produkte ein. Doch nichts ist absolut. Nicht einmal dieses Gesetz der biologischen Wirkung von Strahlung.

 

Man hat ein Bakterium entdeckt, das 8 Stunden lang 10 Millionen Röntgen aushalten kann! Die tödliche Dosis beim Menschen beträgt 500 Röntgen. Dieses Bakterium der Gattung Pseudomonas fand sich 1958 im Wasser eines Kernreaktors in Los Alamos (USA). Ihm war die Umgebung so angenehm, daß es sich alle 20 Minuten teilte.

 

Kurz darauf machte man in Lucas Heights (Australien) dieselbe Beobachtung. In einem Lagertank mit schwerem Wasser befanden sich pro Kubikzentimeter zwei Millionen Bakterien. Beim Austritt des Wassers aus dem Reaktor waren davon nur noch 1000 übrig, doch nach dem Durchgang durch den Ionenaustauscher waren es bereits wieder 10 000. Diese Bakterien gehörten zu den Gattungen Pseudomonas, Bacillus und Achromobacter. Sie können sich in schwerem Wasser vermehren, das die meisten Organismen nicht am Leben erhält.



Daraus ersieht man aber, daß sich manche Bakterien ohne weiteres auf einem Nährboden mit radioaktiven Substanzen züchten lassen. Es wäre vernünftig, zweierlei zu ermitteln, nämlich ob diese Bakterien bei den Transmutationen mitwirken können, und zum anderen, welche dies sind. Auch Algen, Pilze und Enzyme sind zu Transmutationen fähig.

 

Es folgt ein theoretisches Beispiel: Wenn man Strontium-90 mit Fluor „zusammenbacken“ könnte, so würde nichtradioaktives Silber dabei entstehen (90Sr + 19F := 109Ag), vorausgesetzt, das Fluor ließe sich auf diese Weise in eine biologische Umwandlung des Atomkerns einbringen. Man sollte ermitteln, ob die Isotope 14C und 40K an Transmutationen teilnehmen können. Im Fall des 40K ist dies wahrscheinlich, denn man findet deutliche Änderungen im Gehalt dieses Nuklids beispielsweise in der Kartoffel. Auf jeden Fall kann man sagen, daß es sich hierbei um ein fast stabiles Nuklid handelt. Fall sich zweifelsfrei nachweisen ließe, daß es tatsächlich an biologischen Umwandlungen des Atomkerns teilhat und zu einem stabilen oder kurzlebigen Nuklid wird, so wäre dies eine Verletzung der gängigen Theorie der Radioaktivität.

 

L. Magos, Tuffrey und T. W. Clarkson von den Research Council Laboratories in Carshalton (England) führten eine Studie mit kleingehackter Rattenniere durch, die unter Zusatz von Quecksilber(II)-chlorid (mit dem radioaktiven Isotop 208Hg) homogenisiert wurde. In bestimmten Zeitabständen wurden Proben davon mit dem Geigerzähler untersucht. Die Halbwertzeit dieses Isotops beträgt 46 Tage. Auffälligerweise nahm die Aktivität der Probe viel schneller ab, als nach dem Zerfall des Isotops zu erwarten gewesen wäre.

 

Wohin verschwand das Quecksilber? Da es nicht mehr da war, glaubte man allgemein, es sei „verdampft“. Ist das aber nicht wieder eine unbewiesene Behauptung, abgeleitet einzig aus der Tatsache, daß sich das Quecksilber „verflüchtigt“ hat?

 

Während des Experiments wurde dann deutlich, daß sich das Quecksilber nicht auf normalem Wege „verflüchtigte“. Nach dem Gesetz des Abklingens von Radioaktivität hätte sich eine wohlbekannte Exponentialkurve ergeben sollen, und eine Messung nach 16 Stunden zeigte deutlich eine Abnahme im Rahmen dieser Erwartungen; nach 32 Stunden jedoch war einiges Quecksilber unerwartet verschwunden, und nach 48 Stunden hatte die Differenz große Ausmaße angenommen.

 

Es ist den Forschern hoch anzurechnen, daß sie vermuteten, dieses Phänomen könnte auf mikrobielle Tätigkeit zurückzuführen sein, daß die Latenzzeit (die mindestens 16 Stunden dauerte) der Inkubationszeit einer Bakterienkolonie entsprechen könnte. Ließe sich die Wirkung des Toluols nicht darauf zurückführen, daß es die Bakterien abtötet?

 

Die Hypothese war allerdings von vornherein gewagt, da allgemein geglaubt wurde, daß Schwermetalle nicht von Bakterien angegriffen werden, da sie sich allen Angriffen biologischer Art widersetzten. Penicillin tötet Bakterien ab, und das Quecksilber verschwindet mit derselben Gesetzmäßigkeit, mit der eine Lösung im Autoklaven sterilisiert wird.

 

In einem kontaminiertem Medium sind nach 48 Stunden 50 % mehr Quecksilber verschwunden, als nach dem radioaktiven Zerfall des Isotops zu erwarten ist. Nimmt man eine sterile Probe und impft sie mit nur 10-5molarer Quecksilber(II)-chloridlösung, bei der der Quecksilberschwund bereits begonnen hat, so stellt man keine Latenzzeit fest. Die Reaktion schreitet sofort voran, und nach 24 Stunden hat sich die anfängliche Radioaktivität um 60 % reduziert, wogegen eine nicht geimpfte Vergleichsprobe nur einen Rückgang um 2 % aufweist.

 

Bei der Identifizierung der aktivsten Bakterien fanden sich Klebsiella aerogenes, ein Bakterium der Gattung Proteus, dazu ein weiterer aktiver Mikroorganismus, der nicht identifizierbar war, und eine große Anzahl anderer Mikroorganismen, die wenig oder gar keine Aktivität zeigten. Im Leitungswasser, das bei dem Experiment verwendet worden war, fand man Pseudomonas pyocyanea, eine sehr aktive Bakterienart, außerdem noch eine Diplococcus-Art, die aber durch Toluol nicht abgetötet, sondern nur in ihrer Aktivität gehemmt wird.

 

Leider haben die Forscher lediglich das Verschwinden von Quecksilber durch Verflüchtigung in Erwägung gezogen. Doch sie konnten ihre Hypothese trotzdem bestätigen. Sie erklärten, es handle sich um ein natürliches Phänomen, und gründeten ihre Hypothese auf die Abschwächung der Radioaktivität, die sie mit dem Geigerzähler gemessen hatten. Haben damit nicht unbestrittene Versuchsergebnisse eine unangemessen schwache Würdigung erfahren? Fehlen nicht noch wesentliche Analysen und Messungen?

 

Die Forscher haben nicht vermutet, daß das Quecksilber auf Grund einer biologischen Transmutation verschwunden sein könnte. Ein Verdampfen kann man a priori ausschließen. Quecksilber siedet bei 360C und hat selbst bei 40 bis 50 einen sehr geringen Dampfdruck. Die Versuche wurden aber bei einer Umgebungstemperatur von 20C durchgeführt! Das hätte die Forscher aufmerken lassen sollen. Vielleicht hätten sie sich dann nicht das Postulat von der Verdampfung zu eigen gemacht.

 

Dieses Experiment veranlaßt uns, die anfängliche Aussage über radioaktive Elemente genauer zu fassen. Anfangs war nicht klar, ob höhere Organismen (tierischen und pflanzlichen Ursprungs) biologische Transmutationen an radioaktiven Elementen vornehmen können. Doch Bakterien leisten Überraschendes. In einem früheren Buch* erwähnte ich im Zusammenhang mit der Umwandlung von Eisen in Kupfer, daß einige Bakterien in reiner Schwefelsäure gedeihen. Und von den Pseudomonas-Arten, die im Herzen eines Atomreaktors in schwerem Wasser leben und über das Tausendfache der für menschliches Gewebe tödlichen Dosis erhalten, war bereits die Rede. Dasselbe gilt für die Art Micrococcus radiodurans, die das Dreitausendfache der für Säugetiere tödlichen Dosis verträgt.

 

Auch in dem Experiment mit Quecksilber stellte sich heraus, daß eine Pseudomonas-Art radioaktives Quecksilber „auffraß“ und in ein bis heute nicht identifiziertes Element umwandelte. Was aber geschah mit den überschüssigen Neutronen des radioaktiven Kerns? Da sich die Radioaktivität abschwächte, sollte es sich nicht um eine Umwandlung in ein weiteres radioaktives Element handeln. Könnte eine Umwandlung von Neutronen in Protonen stattgefunden haben? Das läßt sich nur klären, wenn man untersucht, was am Ende des Experiments übrigbleibt.


* C. L. Kervran: Transmutations à faible énergie (2. Aufl.). Paris: Maloine 1972. S. 179