IZ: 8.4 Die fraktale Evolution – eine Theorie, mit der wir leben können

Ich habe erklärt, warum ich jetzt ein spiritueller Wissenschaftler bin. Jetzt möchte ich erläutern, warum ich ein Optimist bin.

 

Meiner Ansicht nach ist die Geschichte der Evo­lution eine Geschichte sich wiederholender Muster. Wir stecken in einer Krise, aber für den Planeten ist es nicht die erste. Die Evolution hat immer wieder Zeiten des Um­bruchs durchgemacht, in denen alle existierenden Arten praktisch ausgerottet wurden, darunter bekanntlich auch die Dinosaurier.

 

Genau wie unsere heutige Krise standen die­se Umbrüche in direktem Zusammenhang mit Umweltkatastrophen. Die ständig zuneh­mende menschliche Bevölkerung tritt mit den anderen Organismen immer stärker in Konkurrenz um Lebensraum. Die gute Nachricht ist, daß ein solcher Druck in der Ver­gangenheit stets neue Lebensformen hervorgebracht hat und es auch diesmal wieder so sein wird.

 

Wir beenden einen evolutionären Zyklus und bereiten uns auf den nächsten vor. Doch während dieser Zyklus nun zu Ende geht, ängstigen sich die Menschen ange­sichts zunehmend versagender zivilisatorischer Strukturen. Ich glaube jedoch, daß die »Dinosaurier«, die derzeit unsere Umwelt vergewaltigen, aussterben werden.

 

Überleben werden jene, die erkannt haben, daß unsere »Kavaliersdelikte« den Planeten und uns selbst zerstören werden.Wie kann ich mir da so sicher sein? Nun, ich habe mich mit fraktaler Geometrie befaßt. Geometrie spielt für das Verständnis der Struktur unserer Biosphäre eine wichtige Rol­le, denn sie veranschaulicht mathematisch, wie die verschiedenen Teile eines Ganzen miteinander in Beziehung stehen. Bis 1975 gab es nur die euklidische Geometrie, beru­hend auf dem dreizehnbändigen antiken griechischen Werk DIE ELEMENTE DES EUKLID, das etwa 300 v.Chr. verfaßt wurde.

 

Menschen mit gutem räumlichem Vorstellungsver­mögen begreifen die euklidische Geometrie leicht, denn sie befaßt sich mit Strukturen wie Würfeln, Kugeln und Kegeln, die zeichnerisch dargestellt werden können. Die euklidische Geometrie läßt sich jedoch nicht auf die Natur anwenden. Sie kann mit ihren Formeln keinen Baum, keine Wolke und keinen Berg erfassen. Die meisten orga­nischen und anorganischen natürlichen Strukturen haben chaotischere, unregelmäßigere Formen.

 

Diese lassen sich nur mit Hilfe der erst vor kurzem entdeckten fraktalen Geo­metrie beschreiben. Der französische Mathematiker Benoit Mandelbrot entdeckte 1975 das Feld der fraktalen Geometrie und Mathematik. Wie die Quantenphysik zwingt uns auch die fraktale Geometrie, in den unregelmäßigen Mustern einer chaotischen Welt voller gekrümmter Formen und von Objekten mit mehr als drei Dimensionen zu den­ken.

 

Die Mathematik der Fraktale ist erstaunlich einfach, weil man nur eine Gleichung braucht, in der es nichts als einfache Multiplikationen und Additionen gibt. Diese Glei­chung wird dann unendlich oft wiederholt. Die Mandelbrot-Menge basiert auf einer ein­fachen Formel: Man nehme eine Zahl, multipliziere sie mit sich selbst und addiere die ursprüngliche Zahl. Das Ergebnis ist dann die Ausgangszahl für die nächste Gleichung und so weiter.

 

Das Problem dabei ist jedoch, daß diese Gleichungen millionenfach wie­derholt werden müssen, um das fraktale Muster zu erkennen. Die dafür notwendige Zeit und Arbeit machte es früheren Mathematikern unmöglich, den Wert der fraktalen Geo­metrie zu erkennen. Doch mit Hilfe von Computern konnte Mandelbrot dieser neuen Mathematik zum Durchbruch verhelfen.

 

In der Geometrie der Fraktale werden sich wiederholende, einander ähnliche Muster er­zeugt, die ineinander eingebettet sind. Eine ungefähre Vorstellung davon vermitteln die ineinander steckenden russischen Holzpuppen: Jede kleinere Struktur ist eine ähnliche, verkleinerte Version der vorherigen Form. Fraktale Geometrien betonen die Beziehung zwischen dem Muster der Gesamtstruktur und den Mustern ihrer Teile. Die Wachstums­muster eines Zweiges ähneln beispielsweise den Ästen desselben Baums.

 

Das Fließmus­ter eines Stroms ähnelt den Fließmustern seiner Zuflüsse. In der menschlichen Lunge wiederholt sich das fraktale Verzweigungsmuster der Bronchien in den kleineren Bron­chiolen. Auch die arteriellen und venösen Blutgefäße sowie unser Nervensystem sind auf diese Weise in sich wiederholenden Mustern aufgebaut.Sind diese sich wiederholenden Muster, die wir in der Natur beobachten können, ein­fach nur Zufälle? Ich glaube es nicht.

 

Um zu begründen, warum die fraktale Geometrie meiner Meinung nach die Struktur des Lebens beschreibt, will ich auf zwei Punkte zu­rückgreifen. Wie ich in diesem Buch schon mehrfach betont habe, ist zum einen die Evolution eine Entwicklung hin zu einem höheren Bewußtsein.

 

Zum anderen will ich daran erinnern, daß wir im Zusammenhang mit der Zellmembran den Rezeptor-Effek­tor-Komplex als die fundamentale Grundeinheit von Wahrnehmung oder von Intelli­genz kennengelernt haben. Je mehr Rezeptor-Effektor-Proteine ein Organismus besitzt, desto größer ist seine Wahrnehmung und desto höher ist die evolutionäre Stufe, auf der er steht.

 

Es gibt jedoch physikalische Grenzen für die Anzahl der Rezeptor-Effektor-Proteine, die in eine Zellmembran gepackt werden können. Eine Zellmembran ist sieben bis acht Nanometer dick, was dem Durchmesser der Phosphorlipidschicht entspricht. Die Rezep­tor-Effektor-Proteine sind im Durchschnitt genauso breit wie die Phosphorlipide, in die sie eingebettet sind.

 

Weil der Durchmesser der Membran dadurch sehr eng definiert ist, lassen sich die »Wahrnehmungsproteine« nicht übereinander stapeln. Die einzige Mög­lichkeit, die Anzahl der »Wahrnehmungsproteine« zu erhöhen, besteht darin, die Ober­fläche der Membran zu erweitern.

 

Kehren wir noch einmal zu unserem Sandwich-Modell zurück. Mehr Oliven bedeuten also bessere Wahrnehmung – je mehr Oliven hineinpassen, umso »klüger« ist das Sand­wich. Wer hat dann wohl eine größere Kapazität für Intelligenz – ein Baguettescheib­chen oder eine Schnitte Bauernbrot? Natürlich: Je größer die Oberfläche des Brotes ist, desto mehr Oliven passen darauf. In Bezug auf die biologische Wahrnehmungsfähigkeit bedeutet das, je mehr Oberfläche eine Zelle hat, desto mehr Protein-»Oliven« passen hinein.

 

Die Evolution als Prozeß der Wahrnehmungserweiterung läßt sich somit phy­sisch als Vergrößerung der Membranoberfläche definieren. Mathematische Untersu­chungen haben gezeigt, daß die fraktale Geometrie der beste Weg ist, um in einem drei­dimensionalen Raum (Zelle) eine maximale Oberfläche (Membran) zu gewinnen.

 

So wurde aus der Evolution eine fraktale Angelegenheit. Sich wiederholende Muster sind in der Natur eine Notwendigkeit, kein Zufall.Ich will mich gar nicht so lange bei den mathematischen Details des Modells aufhalten. Die wunderschönen Computerbilder von Fraktalmustern können uns jedenfalls daran er­innern, daß die Natur trotz unserer Angst vor dem scheinbaren Chaos in der Welt einer inneren Ordnung folgt.

 

Es gibt nie etwas wirklich Neues unter der Sonne. Die sich wie­derholenden fraktalen Muster der Evolution ermöglichen uns, vorherzusehen, daß die Menschen einen Weg finden werden, ihr Bewußtsein so zu erweitern, daß sie eine wei­tere Sprosse der evolutionären Leiter erklimmen können.

 

Diese aufregende, geheimnis­volle Welt der fraktalen Geometrie bietet uns ein anschauliches Modell, mit dem wir die Willkür, die Wahllosigkeit und den Zufall, die Mayr der Evolution zuschrieb, überwin­den können.

 

Ich halte seine überholte Theorie von der Evolution ohnehin für eine Vor­stellung, die der Menschheit nicht dienlich ist und die wir so schnell wie möglich ge­nauso zu den Akten legen sollten wie das vorkopernikanische Weltbild, daß sich die Sonne um die Erde dreht.

 

Wenn wir erkennen, daß es in der Natur und in der Evolution sich wiederholende, ge­ordnete Muster gibt, wird das Leben der Zellen, das dieses Buch inspiriert und mein Le­ben verändert hat, noch interessanter. Seit Milliarden von Jahren verfolgen die lebendi­gen, zellulären Wesen einen wirkungsvollen Plan, ihr eigenes Überleben und das Über­leben anderer Organismen in der Biosphäre zu ermöglichen.

 

Stellen Sie sich vor, wie eine Bevölkerung von Billionen von Individuen glücklich unter einem gemeinsamen Dach zusammenlebt. Solch eine Gemeinschaft gibt es – es ist der gesunde, menschliche Körper. Offensichtlich funktionieren die Zellgemeinschaften besser als die menschli­chen Gemeinschaften – es gibt in unserem Körper keine »heimatlosen« Zellen, niemand wird ausgelassen.

 

Es sei denn, unsere Zellgemeinschaft ist im Unfrieden, weshalb sich manche Zellen aus der Kooperation mit der Gemeinschaft zurückziehen. Krebszellen sind in gewissem Sinne heimatlose Zellen, die nicht in eine Funktion für die Zellge­meinschaft eingebunden sind und sich auf Kosten der anderen Zellen und zum Schaden der anderen Zellen entwickeln.

 

Wenn die Menschen den Lebensstil eines gedeihlichen Zellverbandes nachahmen wür­den, ginge es in unserer Gesellschaft und auf unserem Planteten friedlicher und lebendi­ger zu. Solch eine friedvolle Gemeinschaft entstehen zu lassen ist eine echte Herausfor­derung für die Menschheit, da jedes Individuum die Welt ein wenig anders sieht.

 

Es gibt also sechs Milliarden menschliche Versionen der Wirklichkeit auf diesem Planeten, die alle als Wahrheit angesehen werden. Je stärker die Bevölkerung wächst, desto öfter prallen diese Versionen der Wirklichkeit aufeinander.In einem früheren Stadium der Evolution erging es den Einzellern ganz ähnlich, wie be­reits im ersten Kapitel dargestellt, doch es lohnt sich, diesen Fakt noch einmal zu wie­derholen:

 

Nachdem sich die Erde gebildet hatte, entstanden die Einzeller. Innerhalb von dreieinhalb Milliarden Jahren entwickelten sich Tausende von Varianten einzelliger Bakterien, Algen, Pilze und Protozäen, die allesamt unterschiedliche Wahrnehmungs­ebenen hatten. Wahrscheinlich vermehrten sie sich, ähnlich wie wir, einfach immer stär­ker, bis sie einander ständig anrempelten und sich allmählich fragten: »Ist denn auch noch genug für mich da?« Vielleicht ängstigten sie sich auch.

 

Mit der erzwungenen Nähe und der damit einhergehenden Veränderung ihrer Umgebung suchten sie einen Weg, dem Druck auszuweichen. Das leitete eine neue, glorreiche Epoche der Evolution ein, in der sich einzelne Zellen selbstlos zu mehrzelligen Gemeinschaften zusammen­schlossen. Das Endergebnis dieser Entwicklung sind wir Menschen auf der höchsten Stufe der Evolution (oder zumindest in ihrer Nähe).

 

Ich glaube, daß der Druck der zunehmenden Bevölkerungsdichte uns auf ähnliche Wei­se dazu zwingen wird, uns auf eine höhere Sprosse der evolutionären Leiter zu begeben. Ich bin davon überzeugt, daß wir uns in Zukunft zu einer globalen Gemeinschaft zusam­menfinden.

 

Die Mitglieder dieser Gemeinschaft werden erkennen, daß wir das Abbild unserer Umwelt, d.h. göttlichen Ursprungs, sind und uns auf eine Weise verhalten müs­sen, die nicht nur die Stärksten überleben läßt, sondern alle und alles, was auf diesem Planeten lebt.