2018/12: Mordsache Skripal und Giftgas-Lügen in Syrien: Die Rolle Großbritanniens seit 2011 (Teil 6)

26 Dez. 2018 07:15 Uhr

Ob in Bezug auf Syrien oder im Fall Skripal: Wenn in der jüngsten Vergangenheit von Chemiewaffeneinsätzen die Rede war, fungierten britische Organisationen und Einzelpersonen als mediale Stichwortgeber. Eine Analyse des ehemaligen Kriminalbeamten Jürgen Cain Külbel.

von Jürgen Cain Külbel

(Die vorherigen Teile finden Sie hier).

Im Werk Treppenwitz der Weltgeschichte trägt der Engländer William Lewis Hertslet (1839-1898), seines Zeichens Banker, Enzyklopädist, Schriftsteller, Sohn des britischen Konsuls zu Memel, kurioses über seine Landsleute zusammen:

Die Engländer definieren selbst ihre Diplomaten als men sent abroad to lie for the benefit of their country. Der Ausspruch stammt von Sir Henry Wotton (1568-1639), der ihn lateinisch in das Album seines Freundes Fleckamore zu Augsburg auf seiner Reise nach Venedig schrieb: Legatus est vir bonus peregree missus ad mentiendum rei publicae causa. Und der große Philologe Jul. Caesar Scaliger (1484-1558) nannte in seinen Poetices libri VII (III,17) die Angli ‘perfidi, inflati, feri, contemptores, stolidi, amentes, inertes’ usw. (treulos, aufgeblasen, wild, alles verachtend, dummdreist, unsinnig, träge).

Auch der MI6-Aussteiger Richard Tomlinson ist mit britischen Schwindeleien vertraut: „Ein Untersuchungsausschuss des Committee of Imperial Defence traf sich am Dienstag, dem 30. März 1909, in Whitehall zu einer Klausursitzung. Oberst James Edmonds war der erste Sprecher. Er war der Leiter des MO5, des Vorläufers des heutigen MI5, der die Aufgabe hatte, ausländische Spione in Großbritannien zu enttarnen.

Der MO5 hatte zwei Mitarbeiter und einen Jahresetat von zweihundert Pfund. Edmonds hatte ehrgeizige Pläne und wollte seinen Aktionsradius auf die Auslandsspionage erweitern, mit Russland und Deutschland als wichtigste Beobachtungsobjekte. Aber Lord Esher, der Ausschussvorsitzende, glaubte Edmonds‘ Geschichten von deutschen Spionageerfolgen in England nicht. Er forderte Edmonds auf, eine detaillierte Liste von Fällen vorzulegen, um seine Argumente zu belegen.

Edmonds ließ nicht locker und verlegte sich auf eine Taktik, die viele seiner Nachfolger beim MI6 mit Erfolg praktizieren sollten. Er förderte sein Anliegen mit gefälschten Beweisen. Esher gab er eine Liste mit erfundenen Spionen, die er nach einem zeitgenössischen Bestsellerroman, Spies of the Kaiser von William Le Queux, anfertigen ließ. Esher verlangte weitere Belege für die vorgeblichen Erkenntnisse, aber Edmonds verweigerte dies mit dem Hinweis, solche Enthüllungen gefährdeten die Sicherheit seiner Informanten; eine Rechtfertigung, derer sich seine Nachfolger häufig bedienten, um lästigen Nachforschungen durch die Regierung zu entgehen. In Edmonds‘ Fall reichte sie aus, um sein Vorhaben durchzubringen, mit dem ein Etat zur Erweiterung des MO5 verbunden war.

Das Secret Service Bureau wurde gegründet, und der Official Secrets Act gab Edmonds im Jahr 1911 weitreichende und drakonische Vollmachten zur Verhaftung von Menschen, die der Unterstützung des ‚Feindes‘ verdächtig wurden.

Und die Lügerei setzte sich auch 2013 in Syrien fort. Den dort verdeckt arbeitenden britischen Ex-Nachrichtendienstlern und Absolventen der Royal Military Academy Sandhurst, HauptmannJames Gustaf Edward le Mesurier (Dienstnummer 536239 – Gründer der Weißhelme) und Oberst Hamish de Bretton (Dienstnummer 529351 – Berater diverser Hilfsorganisationen in Sachen Chemiewaffenangriffe) gesellte sich im August 2013 ein weiterer Entertainer im Chemiewaffen-Theater hinzu: Hauptmann Dr. Saleyha Ahsan, geboren am 22. Dezember 1970 in Essex, Dienstnummer: 544095. Saleyha Ahsan war die erste muslimische Frau, die ihren Abschluss als britischer Offizier in Sandhurst gemacht hatte. 

Dort wurde sie am 4. Dezember 1994 – etwa in der Zeit, in der auch le Mesurier und de Bretton-Gordon Offizierskadetten waren – zum Unterleutnant befördert, am 14. Dezember 1996 zum Leutnant. Nach Sandhurst trat sie dem Royal Army Medical Corps bei und ging auf den Balkan. Dr. Kevin Beaton, „mein Staffelkommandant in Bosnien, hat mich dazu inspiriert, Medizin zu studieren“, was sie dann auch von 2001 bis 2006 an der University of Dundee in die Tat umsetzte. Schon während des Medizinstudiums erhielt sie Stipendien und Preise und forcierte ihre Karriere als Filmemacherin.

Derzeit arbeitet Ahsan zwar in der Allgemein- und Notfallmedizin im Bangor Hospital in Nordwales, da sie jedoch „eine Leidenschaft für das Geschichtenerzählen“ hat, bedient sie mit großer Regelmäßigkeit verschiedene britische Fernseh- und Radiosender sowie Nachrichtenblätter, vor allem die BBC und The Guardian. Spezialisiert hat sie sich auf „Gesundheits-Serien“ und „Berichte aus Kriegsgebieten“. Der britische Regime-Change-Terrorismus führte die Offizierin zwangsläufig an die Frontlinien in Libyen und Syrien. In Libyen verbrachte sie sechs Monate, „um unabhängig Ärzte an der Front zu filmen“.

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Die britisch-muslimische Kriegerin Ihrer Majestät der Queen schreibt aber auch Drehbücher und Dramen. Und genau an diesem künstlerischen Input mangelte es den Darstellern im syrischen Chemiewaffen-Brimborium bis zum 26. August 2013. Es war der Tag, an dem Dr. Saleyha Ahsan mit dem BBC-Reporter Ian Pannell, dem BBC-Kameramann Darren Conway und der britischen Ärztin Dr. Rola Hallam im Atareb Hospital in Aleppo auftauchte, um Filmaufnahmen für die BBC-„Dokumentation“ Saving Syria’s Children zu drehen.

In der am 29. August 2013 ausgestrahlten Sendung wurden die angeblichen „Nachwirkungen“ eines Bombenanschlags – natürlich durch die syrische Luftwaffe – mit einer „Napalm-artigen“ Substanz auf den Spielplatz einer Schule in Aleppo gezeigt: Teenager, junge Männern mit Verbrennungen, denen die Haut in Fetzen vom Leibe hing, die sich krümmten, vor Schmerzen jammerten. Kurzum, der Brite Robert Stuart, ein unabhängiger Rechercheur, nahm die Sendung Sequenz für Sequenz auseinander und kam zu dem einzig richtigen Schluss, dass das BBC-Bildmaterial eindeutig gefälscht war. Erstens gab es überhaupt keinen Bombenangriff, zweitens waren die Szenen mit den leidenden Opfern gestellt, ebenso die „Verletzungen“ und „Verbrennungen“; ausführlich hier dokumentiert.

Nun entleibte sich Dr. Saleyha Ahsan ein Jahr später, im August 2014, im Nachtprogramm von BBC Two selbst: In einer Sendung über HOSPEX, Abkürzung für Hospital Exercises, berichtete sie über“Makrosimulationen“, die von Ärzten der britischen Armee in Vorbereitung für den Einsatz in Kampfzonen verwendet werden. Das warf nun ein ganz anderes Licht auf die gefakte BBC-Dokumentation Saving Syria’s Children. Während solcher HOSPEX-Übungen, erklärte Dr. Ahsan in der Sendung, ahmen Schauspieler und Maskenbildner selbst schwerste Verletzungen nach„, mit dem Ziel, genau jene Bedingungen zu reproduzieren, die Mediziner im Feld haben. Nun ist jener Mann, der sie einst zum Medizinstudium animierte, für eben die gesamte (HOSPEX-) Operation verantwortlich: jener bereits erwähnte Kevin Beaton, Dr. Ahsans vormaliger Staffel-Kommandant in Bosnien.

Und bei dem Unternehmen, das die High-Tech-Verletzungssimulationen für die BBC-Sendung über HOSPEX zur Verfügung stellte, handelt es sich um TraumaFX, den führenden britischen Anbieter realistischer Schadensimulationen. TraumaFX, das über mehr als 10 Jahre Erfahrung in der Unterstützung militärischer Trainingsübungen in Großbritannien verfügt, unterstützt auch verschiedene Streitkräfte international.

Das mobile Teamdes Unternehmens kann jederzeit an jedem Ort arbeiten und bietet seinen Kunden Casualty Role Play Actors & Amputee Actors (also Schauspieler) und SIMWOUNDS (realistische Wundeffekte) an. Zudem ist die Firma Spezialist für die Simulation von Verletzungen und Zuständen nach Einwirkungen von chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Verletzungen ein El Dorado für alle Chemical Hamishs sozusagen. Fotos dieser Makrosimulationen, die ab 2014 in Syrien Einzug gehalten haben, vor allem unter Beteiligung der Weißhelme, finden sich in dieser ausgezeichneten Dokumentation.

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Anzumerken bleibt, dass Hauptmann Dr. Saleyha Ahsan mit Oberst Hamish de Bretton-Gordon in der Nichtregierungsorganisation Doctors Under Fire zusammenarbeitet, eine Truppe, die sich den Regime-Change in Syrien auf das Banner geschrieben hat und unaufhörlich Berichte, Fotos und Videos über angebliche Gräueltaten russischer und syrischer Militärs in den Weltäther pumpt. Und zufällig entspricht das Design der Website jener Doctors Under Fire auch noch dem Webauftritt der Weißhelme, die vom dritten Sandhurst-Absolventen im Bunde, Hauptmann James Le Mesurier, gegründet wurden.

Da waren die Briten in ihrer verdeckten Arbeit wohl etwas schottisch-knauserig. 

Der britische Modus Operandi seit Abtransport der syrischen Chemiewaffen

Jedenfalls war der Propaganda-Schritt der Briten Richtung HOSPEX konsequent.

Andere Opferbilder mussten her, schließlich stand das Ausschiffen der Chemiewaffen aus Syrien bevor. Und das startete am 7. Januar 2014 unter Aufsicht von Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) und der UN.

Die erste Ladung wurde dem US-Schiff MV Cape Ray übergeben, auf dem sie mittels Hydrolyse neutralisiert wurden. Aufgrund der Kampfhandlungen in Syrien, die den Abtransport über Land behinderten, zog sich die endgültige Vernichtung bis zum 23. Juni 2014 hin.

James Clapper Jr., Director of National Intelligence und Generalleutnant Michael Flynn, Direktor der Defence Intelligence Agency, erklärten am 11. Februar 2014 vor dem Committee on Armed Services in Washington, die Instabilität in Syrien könne es den mit Al Kaida verbundenen Gruppen ermöglichen, Massenvernichtungswaffen oder deren Komponenten zu erwerben. Während die syrischen Lagerbestände derzeit unter der Kontrolle des Regimes stehen, steigt die Gefahr, dass diese Waffen oder ihre Bestandteile in die falschen Hände geraten, durch die Bewegung dieser Waffen während der Entsorgung.

Auch Hamish de Bretton-Gordon suchte nach neuen Wegen der schwarzen Propaganda, griff das auf und berichtete am 24. Februar 2014, dass eine CW-Anlage erst in der vergangenen Woche von der Opposition überrannt wurde, was Al Kaida befähige, brauchbare Mengen chemischer und biologischer Waffen zu erlangen, um New York, Paris, London, Moskau usw. zu bedrohen

Randbemerkung: Auch Eliot Higgins jammerte im März auf Twitter herum: Ich bin kurz davor, einen Job anzunehmen, der mich daran hindert, über Syrien zu bloggen.

 

Stuart Hughes von der BBC, früher embedded Journalist des britischen Verteidigungsministeriums, nahm sich des Jünglings an und drehte ein Werbevideo, das zur Spendensammlung aufrief. Allerdings unter der Bedingung, dass Higgins am BBC-Hauptsitz ein Seminar über Open Source-Recherche geben würde. Bald hatte Higgins dank BBC genügend britische Pfund eingefahren, um am 1. Juli 2014 die Webseite Bellingcat mit 15 Mitwirkenden anzukündigen! Eine gelungene Maßnahme, würden Geheimdienstler dazu sagen! Als Transportband für Propaganda im Informationskrieg sind solcherlei ausgelagerte Internet-Pupser gegen kleines Geld immer zu haben.  

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Endlich, am 29. März 2014, hatte Hamish de Bretton-Gordon die zündende Idee und erklärte auf ABC, Damaskus habe seine Lagerbestände nicht vollständig deklariert. Später legte er nach:

Obwohl der Großteil von Assads Chemiewaffen-Arsenal anscheinend entfernt worden ist, ist es unmöglich, sämtliches Chlor und andere giftige Industriechemikalien aus Syrien zu entfernen, da es im ganzen Land viele kommerzielle chemische Anlagen gibt, in denen diese Chemikalien in rechtmäßigen Konsumgütern verwendet werden.

Und schwuppdiwupp, im April 2014, während die Entsorgung der Chemiewaffen lief, tauchten schon erste Berichte über den Einsatz von Chlorgas, angeblich durch syrische Regierungstruppen, im syrischen Talmenes und Kafr Zita auf. Hamish de Bretton-Gordon sprach sofort von einer brutalen, aber tödlichen neuen Art von chemischen Angriffen. Und schon war der Ex-Nachrichtendienstler und Chemiewaffen-Experte de Bretton-Gordon wieder am Tatort:

Im April 2014 wurde ich gebeten, nach Syrien zu reisen, um mit Teams zusammenzuarbeiten, die der internationalen Gemeinschaft eindeutige Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien liefern. In Zusammenarbeit mit Ruth Sherlock von The Telegraph haben wir die Story abgedeckt.

Am 24. April 2013 begab sich ein unternehmungslustiger und mutiger Arzt namens Dr. Ahmed, der seit 2013 unter Führung von de Bretton-Gordon die CBRN Task Force in Aleppo aufbaute, nach Talmenes und Kafr Zita und sammelte Proben. Schüler Ahmad, bei dem es sich um das UOSSM-Mitglied Dr Ahmad al-Dbis aus Aleppo handelte, freute sich:

Ich wollte der Welt zeigen, dass chemische Mittel verwendet wurden. Ich habe es methodisch gemacht. Ich habe alles gefilmt. Ich wollte sicher sein, dass ich die gesamte Sorgfaltskette ohne Unterbrechung habe (vom Sammeln der Proben bis zum Untersuchen der Proben). Wenn also die Ergebnisse kommen, wissen wir, dass sie genau sind.

Ebenso der Lehrer: Das war eine perfekt ausgeführte Sammlung dieses Materials. Die Proben wurden gemäß den Regeln, die von der OPCW vorgeben werden, erlangt, sie wurden in einwandfreiem Zustand präsentiert, damit wir sie testen können. Dr. Ahmad brachte Bodenproben von den Anschlägen vom 11., 18. und 21. April in Kafr Zita und Talmenes. Und de Bretton-Gordon, der selbst Mitglied in der UOSSM ist, ergänzte: Ich habe die Region besucht und Proben der Angriffe analysiert, die aus Hubschraubern stammten. Sie wurden positiv auf Chlor getestet. Der arme Chemical Hamish wurde dann auch noch bei der Analyse mit Chlor kontaminiert, doch konnte ihn sein Dekontaminationshandschuh vor schweren Verletzungen retten. Nachher wird er diese Aktion als Unabhängige Biosecure/The Telegraph-Untersuchung bezeichnen.

Großbritanniens Außenminister William Hague forderte aufgrund von de Bretton-Gordons Analyse eine dringende Untersuchungsmission der OPCW:

Berichte, die darauf hindeuten, dass erneut chemische Waffen eingesetzt wurden, die die Menschen in Syrien weiter in Bedrängnis bringen, sind äußerst krank. Die internationale Gemeinschaft muss bereit sein, alle Personen, denen chemische Waffen zur Verfügung gestellt wurden, für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. 

Im Auftrag westlicher Nationen, einschließlich Großbritanniens, kündigte der Leiter der OPCW, Ahmet Uzumcu, die Gründung einer OPCW-Mission zur Feststellung von Fakten über die Verwendung von Chlor in Syrien an. Am 10. September 2014 bestätigte die OPCW, dass in Syrien Chlorgas eingesetzt wurde, konnte aber keine Schuld zuweisen. Das Auswärtige Amt in London blieb unbeeindruckt und erklärte am 15. September 2014: Die systematische und wiederholte Verwendung von Chlor in Nordsyrien und die konsistenten Berichte von Zeugen über die Anwesenheit von Hubschraubern bei den Angriffen lassen kaum Zweifel an der Schuld des Assad-Regimes (zu).

Der militärisch-industrielle Komplex schlägt zu 

Nachdem der britische Ex-Nachrichtendienstler James le Mesurier im März 2013 die Weißhelme gegründet hatte, formte er 2014 Mayday Rescue, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in der Türkei, die aus dem in Dubai ansässigen Unternehmen Analysis, Research and Knowledge (ARK), hervorging. Mayday Rescue, nicht mehr und nicht weniger als ein Transportband zur Finanzierung der Weißhelme, erhielt eine Anfangsfinanzierung in Höhe von 300.000 US-Dollar vom US-Außenministerium. Zuschüsse im Wert von mehreren Millionen Dollar kamen nachher vom britischen Foreign and Commonwealth Office, aus Japan, Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und der United States Agency for International Development (USAID), die bekannt dafür ist, Regime-Change-Aktivitäten in aller Welt zu sponsern. Allein USAID hat 23 Millionen US-Dollar für die Weißhelme gespendet. Mayday Rescue startete im August 2014 mit seinem Twitter-Account.

Der erste und direkt nachweisbare zeitgleiche Aufenthalt der britischen Ex-Offiziere – Ex-Nachrichtendienstler und Chemiewaffenexperte Oberst Hamish de Bretton-Gordon und Ex-Hauptmann und Ex-Nachrichtendienstler James le Mesurier – im Kampfgebiet Syrien fand im September 2014 statt. Ich bin im September 2014 nach Syrien gereist und habe Ärzten und Medizinern beigebracht, wie man  mit Chloropfern umgeht und wie man es vermeiden kann, selbst Opfer zu werden, schrieb de Bretton-Gordon. An anderer Stelle erklärte er, ich habe im September, Oktober 2014 einige Zeit bei der Freien Syrischen Armee (FSA) in Nordwest-Syrien verbracht. Zu eben diesem Zeitpunkt führte auch Le Mesurier eine Schulung von Syriens Elite Rescue Force des Syrischen Zivilschutzteams (SCD) durch.

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Es ist September, und inmitten der Verwirrung durch Präsident Baschar al-Assads Bombenangriffe gegen Rebellenfraktionen und den US-Luftangriffen gegen den IS arbeiten die 25-köpfigen SCD-Teams daran, Zivilistenleben zu retten“, wird er zitiert. Ob die beiden sich konsultierten, ist nicht überliefert, allerdings arbeitete de Bretton-Gordon seinem ehemaligen Mitabsolventen von der Royal Military Academy Sandhurst nachher zu.

De Bretton-Gordon wurde im Oktober 2014 zum Managing Director CBRN bei Avon Protection mit Sitz im britischen Wiltshire berufen, ein weltweit führendes Unternehmen in Design, Entwicklung und Herstellung von CBRN-Atemschutzprodukten, das NATO, US-Militär und 50 Armeen weltweit ausrüstet. Zuvor hatte er erhebliche Anstrengungen unternommen, den Rebellen grundlegende Schutzausrüstung, Atemschutzmasken und Dekontaminierungsmaterial zukommen zu lassen. Es war die Rede von 5000 Chemieschutzhauben, 50 Luftüberwachungseinheiten, Dekontaminations-Kits und Gelder für Schulungen für das Netzwerk, mit dem er vor Ort zusammenarbeitet.

Wie dem auch sei, Ende November 2014 freute sich auch Avon Protection, denn es verzeichnete im Jahresverlauf einen starken Gewinnanstieg. Auch die jüngsten Chlorgas-Attacken in Syrien haben dem Unternehmen weitere Möglichkeiten eröffnet (…), (denn) das, was in Syrien vor sich geht, hat die Aufmerksamkeit von Avon erhöht und wir bemerken großes Interesse an unseren traditionellen Produkten“, so der Vorstandsvorsitzende Peter Slabbert. 

Offenbar hatten auch James le Mesuriers Weißhelme Interesse an diesen Produkten. Und de Bretton-Gordon hat sie beliefern lassen, und zwar über die mit ihm seit 2011 verbandelte Truppe Syria Relief, die von seinem Mitstreiter in der UOSSM, Dr. Ghanem Tayara, geleitet wird. Schließlich twitterte de Bretton-Gordon: Wir können garantieren, dass diese Hilfe an diejenigen vergeben wird, die sie brauchen, wenn das von Syrern erledigt wird, die bei der britischen Wohltätigkeitsorganisation Syria Relief beschäftigt sind. Jedenfalls freute sich James Le Mesurier, der britische Offizier im verdeckten Syrien-Einsatz, dann auch am 13. November 2014 diebisch und twitterte zurück: Ein Teil der GBP 1,6 Mio. (britische Pfund) von @foreignoffice-finanzierten Geräten, sind in Aleppo angekommen. Großbritannien ist ein großer Unterstützer der @SyriaCivilDef-Helden. Für de Bretton-Gordon haben sich die „Chlorgasangriffe“ in 2014 wohl auch geschäftlich gelohnt. 

Nun, am 22. Januar 2015 jammerte er schon wieder, diesmal in einem Interview mit Syria Deeply:

Bei Angriffen gegen Zivilisten verwendet das Regime immer noch Chlor. Seit dem Ghouta-Angriff wurden 97 Angriffe beobachtet, vorwiegend mit Chlor. Assads Modus Operandi bestand darin, chemische Waffen einzusetzen, wenn alle anderen Bemühungen fehlgeschlagen sind.

De Bretton-Gordon wusste, dass Assad noch angeblich bis zu 20.000 Fassbomben mit Chlor besaß. Grund genug für Brötchengeber Avon Protection, zusammen mit de Bretton-Gordons Firma SecureBio Ltd. eine neue Palette umfassender End-to-End-CBRN-Lösungen“ zu entwickeln. Das neue PSA-Kit (Personal Protection Equipment) von Avon bietet Ausrüstung für umfassenden Personenschutz und Dekontaminierung. Avon startet auch seine neuen Support-Pakete für globale Großereignisse.Und wieder wurde das Geschäft angekurbelt.

Nachdem der UN-Sicherheitsrat am 6. März 2015 eine Resolution verabschiedet hatte, mit der er den Einsatz von Chlor in Syrien verurteilte, jedoch keine Schuldzuweisung vornahm, starteten sofort einige NGOs, die den Regime Change in Syrien betrieben, darunter die britisch geführten Weißhelme/Syrian Civil Defence, Hand in Hand for Syria, The Syria Campaign und das Syrian Observatory for Human Rights eine massive Kampagne zur Unterstützung einer ausländischen Intervention und für eine Flugverbotszone in Syrien, die von den USA und verbündeten Militärmächten durchgesetzt werden sollte. Wie gerufen gab es am 16. März 2015 den nächsten Angriff mit Chlorgas-Fassbomben. 30 Zivilisten und 40 „Rebellen“ hatte es in Sarmin, Provinz Idlib, erwischt.

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Darunter auch Waref Taleb, einen lokalen Elektriker, der zusammen mit seiner Frau, der 65-jährigen Mutter und drei kleinen Kindern getötet wurde. Selbstverständlich waren die britischen Akteure sofort in der Spur. Hamish de Bretton-Gordon und mit ihm in Syrien arbeitende Personen – also alle seine Verbündeten aus der UOSSM und den Weißhelmen – haben Chlor in den Proben, die am 16. März aus dem zerstörten Haus der Familie Taleb entnommen worden waren, gesondert bestätigt. Wie er selbst sagte, war er erneut an der syrischen Grenze und analysierte Proben. Dem Zeitungsblatt The Guardian sagte er: „Ich habe absolut keinen Zweifel, es war Chlor. Es roch nach Chlor, es sah nach Chlor aus und drei verschiedene Tests sagten, dass es Chlor war.“ Und weil man sich nicht vor Gas verstecken könne, sei „diese psychologische Waffe der Schlüssel, warum Assad sie immer noch benutzt“.

Am 16. April 2015 klärten Ärzte den UN-Sicherheitsrat über die jüngsten Chlorangriffe in Syrien auf. Dr Mohamed Tennari, Direktor des Hospitals in Sarmin, dem führenden Behandlungszentrum nach dem massiven Chlorangriff bringt die Mitglieder zum Weinen. Hamish de Bretton-Gordon vermerkt auf Facebook:

 

Meine Beweise von letzter Woche an der Grenze zu Syrien wurden zusammen mit den Aussagen syrischer Ärzte von Botschafterin Samantha Power (sic Powell) dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt – die UN muss jetzt etwas tun?

In The Telegraph forderte er als einzige realistische Option eine „Flugverbotszone“, die das Assad-Regime stoppen könnte, Fassbomben aus Hubschraubern abzuwerfen, weil Assad herausgefunden hat, dass chemische Waffen ein kampfentscheidendes Potential haben, und nur wenige Befehlshaber sind bereit, ihr kampfentscheidendes Potential aufzugeben. Chemical Hamishs Halabja-Erfahrungen – siehe Teil 2 dieser Serie – lassen grüßen.

Der Vorsitzende der Vereinigung Schwedische Ärzte für Menschenrechte, Marcello Ferrada, der den Chemieangriff vom März 2015 in Sarmin untersuchte, schmetterte de Bretton-Gordon ab:

Alle Beweise wurden sorgfältig von UN-Ausschüssen geprüft. Nach all den Untersuchungen kam man zu der Schlussfolgerung: Die von den USA und Großbritannien vorgelegten Beweise können nicht eindeutig belegen, dass chemische Waffen von syrischen Streitkräften verwendet worden waren (sind). 

Bemerkenswert für ihn war, dass die angeblichen Zeugen des Vorfalls, die Weißhelme, ein Video von der Rettung der durch den Angriff verletzten Kindern aufgenommen haben. Womöglich wurde das alles simuliert, um erschreckende Videoaufnahmen zu machen, schrieb das Portal The Indicter unter Verweis auf die Schwedischen Ärzte für Menschenrechte. Lebensrettende Maßnahmen bei den Kindern, die im Video der Weißhelme dargestellt wurden, erwiesen sich als gefälscht und wurden schließlich an toten Kindern durchgeführt. Und die Spritze, die bei der ‘intrakardialen Injektion‘ eines männlichen Säuglings verwendet wurde, war leer, oder es wurde niemals Flüssigkeit in das Kind injiziert.

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Da muss man unweigerlich an Hauptmann Dr. Saleyha Ahsan und das HOSPEX-Ding denken. Wenn ja, dann zeigten sich die Weißhelme in der Sache allerdings miserabel gebrieft. Da haben die Briten wohl versagt. Am 1. April 2015 begründete die britische Regierung den Conflict, Stability and Security Fund (CSSF), um diesyrische Opposition noch weiter zu stützen:

Der CSSF bietet Ländern, die von Konflikten oder Instabilität bedroht sind, Entwicklungs- und Sicherheitsunterstützung. Es ist der einzige staatliche Fonds, der sowohl Verteidigungsausgaben als auch öffentliche Entwicklungshilfe einsetzt, um Aktivitäten in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung, Friedenssicherung, Friedenskonsolidierung und Stabilität durchzuführen und zu unterstützen. Die britische Regierung wird die Namen der Empfänger dieser Mittel nicht veröffentlichen.

Bekannt wurde jedoch, dass auch Oberst Hamish de Bretton-Gordon und Hauptmann James le Mesurier davon profitierten, denn die Unterstützung der gemäßigten Opposition umfasste politische Unterstützung und nicht tödliche Ausrüstung. In Bezug auf die Ausrüstung haben wir Kommunikations-, Medizin- und Logistikausrüstung bereitgestellt. Wir haben auch Ausrüstung zum Schutz vor chemischen Waffenangriffen bereitgestellt. Aus Sicherheitsgründen geben wir die Namen der unterstützten Gruppen nicht bekannt.

Die da wären: Weißhelme, Al-Nusra-Front, CBRN-Task-Force-Aleppo, UOSSM sowie Doctors under Fire. Geld vom britischen Steuerzahler für Briten, die im verdeckten Einsatz in Syrien den Regime Change in Syrien betreiben und, so meine ich, Geld für Hamish de Brettons Firma Avon Protection, die diese Ausrüstung produziert und bereitstellt, liefert. Und ein flottes britisches Pfund natürlich auch für Hamish de Bretton-Gordon, den Managing Director CBRN bei Avon Protection.

Im Mai 2014, also einen Monat nach der Geldspritze aus dem Londoner CSSF-Fonds, findet das 41. Training der Weißhelme im türkischen Adana statt. James Le Mesurier bedankt sich artig beim Gastgeber: Dies alles wäre nicht geschehen, wenn die türkische Regierung das syrische Volk nicht unterstützt hätte. Und zum Glück gab es auch KIZILAY, den Türkischen Roten Halbmond, die größte Hilfsorganisation des Landes, welche die von den „Freiwilligen“ verwendete Ausrüstung nach Syrien transportierte. Le Mesurier weist darauf hin, dass die Ausrüstung recht teuer ist, und erklärt, dass die nächste Lieferung 8 Millionen Dollar wert sein wird. All das komme seinen Leuten aus Idlib zugute, die er gerade trainiere, die, wie das türkische Nachrichtenmedium Anadolu Türk Haber seinerzeit schrieb, aus Terroristen von Al-Nusra bestehen. Avon Protection-Zeugs für Al-Nusra?

Und auch Oberst Hamish de Bretton-Gordon war im Mai 2015 erneut im Kampfgebiet – wieder zeitgleich mit seinem Buddy, Hauptmann James le Mesurier. Mit Mitgliedern der Freien Syrischen Armee (FSA), jenem Dr. Ahmed, dem Berufszeugen der UOSSM für Giftgas-Angriffe und Ghanem Tayara, Präsident der UOSSM, führte er ein dreitägiges Trainingsprogramm im Krankenhaus im syrischen Bab Al Hawa durch, wo sich 36 Ärzte und Ersthelfer aus dem ganzen Land versammelt hatten. Auch dort war wohl die vom britischen Steuerzahler finanzierte Ausrüstung gegen Chemiewaffen-Angriffe angekommen.

Nicht nur das. Oberst Hamish de Bretton-Gordon, der die britische Regierung längst in Bezug auf CBRN-Angelegenheiten berät, hat auch seit spätestens August 2013 die unabhängige Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) infiltriert: UN-Waffeninspektoren tragen jetzt nämlich Avon-Masken. Die Vereinten Nationen hatten im März 2013 eine UN fact-finding mission gestartet, um die Chemieangriffe in Syrien zu untersuchen. Die Mission wurde später umbenannt in die United Nations Mission to Investigate Alleged Uses of Chemical Weapons in the Syrian Arab Republic“.

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Im Heft 02/2015 von CBNW – Chemical, Biological & Nucelar Warfare finden sich auf Seite 13 drei Fotos, die UN-Inspektoren mit FM12-Masken zeigen – produziert von Avon Protection, jener Firma, die Armeen in aller Welt beliefert, allen voran USA und NATO und die Oberst Hamish de Bretton-Gordon als Managing Director CBRN angestellt hat. Das muss sich wohl alles für den Ex-Nachrichtendienstler gut gerechnet haben. Am 30. Juni 2015 machte er seine eigene (MI6-Tarn-) Firma Secure Bio Forensics Ltd. dicht.

Am 30. September 2015 begann der russische Militäreinsatz in Syrien. Die Briten werden im verdeckten Syrien-Einsatz ihren Modus Operandi in Sachen gefakter Chemieangriffe  ein letztes Mal ändern und anpassen müssen, ehe sie 2018 vollends scheitern – und sich verzweifelt dem Fall Skripal zuwenden. Darüber mehr im letzten Teil der Serie.