6. Wie das Freigeld beurteilt wird: Der Wechselagent

a) Tatsachen.

  1. Die sibernen Fünffrankenstücke liefen vor dem Kriege in den Ländern der lateinischen Münzunion (*) hemmungslos um. Sie konnten frei von einem dieser Länder ins andere ausgeführt werden, halten überall gesetzliche Zahlkraft gleichgelltend (pari) mit den anderen Geldsorten dieser Länder und liesen auch meistens pari mit diesen um. (*) Der lateinische Münzvertrag besteht zwischen Frankreich, Italien, Belgien, der Schweiz und Griechenland.)
  2. Das Fünffrankenstück war dabei Kreditgeld. Es war eine Zeitlang nur zu 50 % durch seinen Silbergehalt, gedeckt Man konnte mit ihm das Doppelte des eigenen Silbergehaltes kaufen, so daß von je zwei solchen Münzen immer eine als reines Kreditgeld betrachtet werden konnte. Wer die Münze einschmolz verlor die Hälfte.
  3. Infolge seiner Freizügigkeit (s. 1.) spielte es die Rolle eines allgemeinen Arbittage-Automaten, eines internationalen Valutareglers, eines internationalen Nivellierers des allgemeinen Preisstandes der Waren.
  4. Waren- und Zahlungsbilanz waren durchaus durch diesen ArbitrageAutomaten beherrscht.
  5. Mehrte man z. D. im Lande A der Münzunion den Geldumlauf (Menge oder Umlaufgeschwindigkeit) im Mißverhältnis zum Geldumlauf der anderen Vertragsländer B oder C, so stiegen die Warenpreise in A über den Stand der Preise in B und C. Dies bewirkte, daß die Wareneinfuhr in A aus den Ländern B und C gefördert, die Ausfuhr dagegen gehemmt, daß die Waren-und Zahlungsbilanz mit einem Schuldbetrag abschloß und dieser Saldo durch Ausfuhr von Fünffrankenstücken ausgeglichen wurde.
  6. Diese Ausfuhr von Fünffrankenstücken aus A nach B und C drückte die Warenpreise in A und hob sie zugleich in B und C, wobei zu beachten ist, daß die Fünffrankenstücke als Notendeckung galten, und die Ausfuhr von Fünffrankenstücken, die man sich von der Notenbank holte, zumeist ein doppelthohes Noteneinziehen zur Folge hatte, also doppelt wirkam war. Diese Ausfuhr von Fünffrankenmünzen dauerte an, bis das Gleichgewicht der Warenpreise, das Gleichgewicht der Ein- und Ausfuhr, das Gleichgewicht der Waren- und Zahlungsbilang wieder hergestellt war.
  7. Hielt im Lande A die Notenvermehrung bis zur gänzlichen Verdrängung der Fünffrankenmunzen an, so konnte der Saldo der Zahlungsbilang nicht mehr durch Ausfuhr von Fünffrankenmunzen ausgeglichen werden. Dann sehte der Arbitrage-Automat aus; an seine Stelle trat das Agio (Aufgeld)
  8.  Wünschte man in A das Agio zu beseitigen, so zog man das Papiergeld ein. Dann gingen die Warenpreise zurück, die Wareneinfuhr ließ nach, die Ausfuhr stieg, bis die passive Handels und Zahlungsbilang aktiv wurde, d. h. mit Überschuß abschloß. Dann strömten die durch die vorhergehende Notenausgabe vertriebenen Fünffrankenmünzen wieder zurück und das umgekehrte Spiel setzte ein, bis zum allseitigen Ausgleich. Die Warenpreise waren durch das Fünfrankenstück wie durch ein System kommunizierender Röhren verbunden, in demder Wasserstand immer nach jeder Störung selbsttätig das Gleichgewicht sucht.
  9. Hielt man sich in allen Ländern der Münzunion bei der Notenausgabe an das unter 7./8. beschriebene Warnungszeichen, so mußten sich die Valutaschwankungen durchaus innerhalb der Kosten des Hin- und Herschickens der Silbermunzen halten.
  10. Die Festigkeit der Valutakurse war also innerhalb der Münzunion nicht durch Internationalisierung des gesamten Geldumlaufes herbeigeführt worden, sondern dadurch, daß man einer beschränkten Anzahl Münzen internationale Gültigkeit verlieh.

(Sinn und Zweck der Münzunion war zwar ein anderer gewesen. Die Gründer der Union wußten nicht, daß das Silbergeld zum Kreditgeld aufsteigen würde. Nur von der Theorie des Papiergeldes aus kann man den Mechanismus des beschriebenen Arbitrage-Automaten begreifen.)

 

b) Folgerungen.

  1. Das oben beschriebene Spiel der Kräfte stimmt woll überein mit der Quantitätstheorie und liefert für diese zugleich den Beweis ihrer Richtigkeit.
  2. Es leuchtet ein, daß sich am genannten Spiel der Kräfte nichts ändern kann, wenn wir an Stelle des silbernen Fünffrankenstückes ein solches aus Papier setzen, da das Fünffrankenstück sich ja nicht Kraft seines Silbergehaltes als Geld betätigte. Das ihm durch internationale Verträge verbriefte Vorrecht machte es zu internationalem Geld.
  3. Gibt man ein solches unter Aufsicht der beteiligten Staaten verfertigtes Geld in einer nur für den Zweck bestimmten Menge aus und nur in einer einzigen Stlickelung — etwa 6 Franken – so würde dieses internationale Geld, wie jetzt die Fünffrankenmünze, überall frei ein- und ausgehen, überall selbsttätig auf Warenein- und Ausfuhr regelnd wirken und überall die Valutakurse auf dem Gleichstand (pari) erhalten.
  4. Ungewöhnliches Einströmen von solchen Fünffrankennoten wäre der Beweis, daß zu wenig eigenes, nationales Papiergeld im Umlauf ist. Am Ausströmen wurde man merken, daß zuviel nationales Geld umläuft.
  5. Der vollkommene Abfluß der internationalen Noten und das folgende Auftreten eines Agios wäre der Warnungsschuß für die Notwendigkeit einer kräftigen Drainage des Geldmarktes, die so lange anzudauern hat, bis das Agio (Aufgeld) verschwindet und die internationalen Noten wieder einftrömen
  6. Umgekehrt würde ein starkes Zuströmen der internationalen Noten beweisen, daß zu wenig nationales Geld im Umlauf ist, — vorausgesetzt, daß man nicht annehmen will, daß aus allen anderen Ländern die internationalen Noten durch zu viel nationales Geld vertrieben wurden. Letztere Annahme führt auf die eigentliche Währungsfrage, die nicht mit der Valutafrage zu verwechseln ist.

In nachstehendem Abschnitt geben wir nunmehr eine Übersicht der Grundsätze für den nach unseren Vorschlägen zu begründenden Weltwährungsverein (Internationaler Valutabund).