2010/10: Rückzahlung abgeschlossen. Deutschland hat keine Kriegsschulden mehr 1988 wurde die letzte Schuldrate für den Zweiten Weltkrieg beglichen, am 03.10.2010 bezahlte der Bund nun auch die letzte Rate aus dem Ersten Weltkrieg.

1988 wurde die letzte Schuldrate für den Zweiten Weltkrieg beglichen, am Sonntag bezahlte der Bund nun auch die letzte aus dem Ersten Weltkrieg. Grund für die späte Zahlung ist ausgerechnet die Wiedervereinigung. Das Ereignis ging recht nüchtern über die Bühne.

Eigentlich ist es ein historisches Ereignis. Aber am Sonntag wurde in dem dem Bürokomplex in Berlin-Weißensee kein Scheck übergeben, keine salbungsvolle Rede gehalten. Bereits vor Tagen wurden die letzten Zahlungen angewiesen, an wen genau wird nicht verraten. Nur soviel wird kundgetan: Nach 92 Jahren ist am 3. Oktober das Kapitel Erster Weltkrieg nun auch endgültig finanziell abgeschlossen. Die letzte Rate aus der Kriegsschuld wurde getilgt.

Beim Nachlassverwalter deutscher Geschichte, dem „Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen“ (BADV), will man jede Aufregung um dieses letzte Kapitel der Auslandsschulden des Deutschen Reiches vermeiden. Das sei ein ganz kleiner Posten, bearbeitet von einer halben Stelle. Deshalb werde es auch kein Brimborium geben. Der Zweite Weltkrieg ist schon länger abgegolten. Die Außenstände bei Franzosen und Briten wurden bis 1973 getilgt. Die Nachkriegsschulden gegenüber den USA wurden in einer letzten Zahlung 1988 beglichen.

Alleinige Kriegsschuld

11 Millionen Deutsche kämpften von 1914 bis 1918 auf den Schlachtfeldern. Verdun wurde zum Symbolort für ein sinnloses Gemetzel. 8,5 Millionen Tote forderte der Erste Weltkrieg. In den in Versailles bei Paris unterzeichneten Verträgen wurde dem Deutschen Reich die alleinige Kriegsschuld zugeschrieben. Die Folge waren immense Strafzahlungen. Dass Deutschland nun erst die letzte Kriegsrate abstotterte, ist letztlich Folge der Wiedervereinigung.

Worum geht es nun bei dem „kleinen Posten“ mit so viel Geschichte? Einfach gesagt um deutsche Kriegsschulden, die nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 noch über Jahrzehnte beglichen werden mussten. Die 164 Milliarden Reichsmark, die sich der Kaiser bei seinen Untertanen für den Krieg lieh, waren nach der Währungsreform 1923 nur noch 16,4 Pfennige wert. Auf neue Kredite seiner Bürger konnte das Deutsche Reich also nicht hoffen. Frisches Geld aber war dringend nötig, um die Kriegsschulden zu begleichen.

Jahresquoten als Reparation

Deutschland hatte Einsprüche gegen die im Reparationsabkommen festgelegten Zahlungsverpflichtungen erhoben. 1924 wurde in London der „Dawes-Plan“ beschlossen, benannt nach dem US-Finanzexperten Charles Dawes. Deutschland wurden Jahresquoten als Reparation auferlegt. 

  • Um die deutsche Wirtschaft in Gang zu bringen, pumpte das Ausland 800 Millionen Reichsmark als Kredit in die Weimarer Republik.
  • Nach der „Dawes-Anleihe“ folgte 1929 mit dem „Young-Plan“ eine neue Vereinbarung mit Zahlungen bis zum Jahr 1988. 
  • Um die Konjunktur nochmals anzukurbeln, wurde die „Young-Anleihe“ platziert. Bei dem neuen Anschubkredit kam – wie bei der „Dawes-Anleihe“ – das meiste Geld aus den USA. 
  • 1930 borgte sich die bankrotte Reichsregierung Geld bei einem Finanztrust: Die „Kreuger-“ oder „Zündholz“-Anleihe sollte bis 1980 laufen. Unter den Nazis wuchs der Schuldenberg.

394 Milliarden Reichsmark

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Auslandsschulden des Deutschen Reiches nicht mehr bedient. Das dauerte bis zum Londoner Abkommen über Deutsche Auslandsschulden im Jahr 1953. Im April 1945 betrugen die Schulden 394 Milliarden Reichsmark. Mit dem Londoner Abkommen wurden Vor- und Nachkriegsschulden von 14,5 Milliarden D-Mark geregelt, darunter die „Dawes“-, „Young“- und „Kreuger“-Anleihe.

Die Schulden aus diesen Papieren sind über neue Anleihen längst getilgt – es bestanden aber noch Zinsrückstände aus den Jahren 1945 bis 1952. Sie wurden mit Rücksicht auf Gebietsverluste Deutschlands und der damit bedingten Minderung der Wirtschaftskraft bis zu einer möglichen Wiedervereinigung zurückgestellt. Mit der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 lagen die alten, fast vergessenen Schulden aus dem Ersten Weltkrieg in Form der alten Anleihen wieder auf dem Tisch.

Nur noch Randnotiz

Bei der Wiedervereinigung summierten sich die Zinsrückstände aus den drei Anleihen auf 239,4 Millionen D-Mark. Diese Ansprüche wurden fortan abgegolten – über „Fundierungsschuldverschreibungen“ mit einer Laufzeit von 20 Jahren – bis zum 3. Oktober 2010. Ende Juni standen noch 75 Millionen Euro in den Büchern. Mehrere US-Anleger hatten in der Vergangenheit erfolglos auf Rückzahlung einiger Milliarden Dollar geklagt im Zusammenhang mit den „Dawes“- und „Young“-Anleihen – Stichworte waren „Goldbonds“ oder „Goldklausel“.

Die Überweisung der letzten Millionen aus den Langfristschulden des Ersten Weltkriegs ist zum 20. Jahrestag der Einheit nur noch eine Randnotiz. Und so endete das Kapitel deutscher Kriegsschulden recht unspektakulär in einer „Bürostadt“ auf dem Gelände der früheren Schokoladenfabrik Weißensee.