IZ: 7.4 Das Bewußtsein: Der innere Schöpfer

Die Evolution der höheren Säugetiere, darunter auch der Menschenaffen, Meeressäuger und Menschen, hat eine neue Wahrnehmungsebene hervorgebracht, die wir Selbst-Be­wußtsein nennen. Dieses neue, bewußte Denken ist ein wichtiger evolutionärer Fort­schritt.

 

Das unterbewußte Denken ist unser »Autopilot«, das bewußte Denken ist unsere manuelle Steuerung. Wenn zum Beispiel etwas in die Nähe Ihres Auges fliegt, dann ist das bewußte Denken mit seiner Verarbeitungsgeschwindigkeit von ungefähr vierzig äu­ßeren Reizen pro Sekunde nicht schnell genug, um auszuweichen. Das Unterbewußtsein jedoch, das pro Sekunde bis zu 20 Millionen äußere Reize verarbeiten kann, veranlaßt das Auge, sich blitzschnell zu schließen.

Eine Veranschaulichung der Informationsverarbeitung des bewußten und des unbewußten Den­kens. Das obere Bild von Machu Picchu besteht aus 20 Millionen Pixel-Punkten, von denen je­der ein Bit an Informationen darstellt, die das Unterbewußte pro Sekunde empfangen kann. Wie viel von diesen Informationen erreicht das bewußte Denken?

 

In dem unteren Bild zeigt der Punkt die Menge an Informationen, die das bewußte Denken in der gleichen Zeit verarbeiten kann. (Genau genommen mußte ich den Punkt sogar noch zehnfach vergrößern, damit er über­haupt sichtbar wurde.) Das mächtige Unterbewußtsein kann dagegen in einer Sekunde eine In­formationsmenge aufnehmen, die der gesamten übrigen schwarzen Fläche entspricht.

 

Die beiden Arten unseres Denkens sind ein dynamisches Duo. Wenn sie zusammenwir­ken, kann sich das bewußte Denken auf etwas Bestimmtes konzentrieren, wie zum Bei­spiel auf die Party, zu der Sie am Freitag gehen wollen, während Ihr Unterbewußtsein dafür sorgt, daß Sie den Rasenmäher sicher über Ihr Grundstück steuern und dabei we­der Ihren Fuß aus Versehen mit abschneiden noch die Katze überfahren, obwohl Sie mit Ihrem Bewußtsein kaum aufs Rasenmähen achten.

 

Die beiden Arten unseres Denkens kooperieren auch beim Erlernen komplexer Verhal­tensweisen, die später unbewußt durchgeführt werden können. Erinnern Sie sich an den ersten Tag, als Sie aufgeregt hinter dem Steuer eines Autos saßen, um Fahren zu lernen? Die Anzahl von Dingen, auf die Sie achten sollten, kam Ihnen schier überwältigend vor. Sie sollten auf die Straße schauen, den Rück- und Seitenspiegel, den Tachometer und andere Anzeigen beachten, mit zwei Füßen die drei Pedale bedienen und dabei mög­lichst entspannt und gelassen wirken, während Sie an Freunden und Nachbarn vorüber fuhren. Es schien ziemlich lange zu dauern, bis all diese Dinge fest einprogrammiert waren.

 

Doch heute setzen Sie sich in Ihr Auto, lassen den Motor an und überlegen mit Ihrem bewußten Denken, was Sie alles einkaufen wollen, während Ihr Unterbewußtsein pflichtschuldig all die komplexen Handlungsabläufe erledigt, die notwendig sind, um Sie sicher durch die Stadt zu bringen, ohne daß Sie auch nur einmal bewußt ans Fahren denken müssen.

 

Oder Sie fahren munter dahin, während Sie ein interessantes Gespräch mit Ihrem Beifahrer führen. Ihr Bewußtsein kann so in das Gespräch eingebunden sein, daß Sie irgendwann merken, daß Sie die letzten fünf Minuten des Fahrens überhaupt nicht mitbekommen haben. Doch überraschenderweise sind Sie immer noch auf der richtigen Straßenseite und bewegen sich harmonisch mit dem Verkehr dahin. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel bestätigt Ihnen, daß Sie keine Schilder oder Papierkörbe über­fahren haben. Doch wenn Sie selbst nicht bewußt gefahren sind, wer fuhr dann? Das Unterbewußtsein! Auch ohne überwacht zu werden, hat Ihr Unterbewußtsein genauso gute Arbeit geleistet, wie Sie es damals in den Fahrstunden gelernt haben.

 

Das bewußte Denken verfügt jedoch über die Möglichkeit, auf Umwelteinflüsse spontan und kreativ zu reagieren. Durch seine Fähigkeit der Selbstreflexion kann das bewußte Denken sein Verhalten beobachten, während es abläuft. Wenn sich ein vorprogrammier­tes Verhalten zeigt, kann das bewußte Denken einschreiten, das Verhalten unterbrechen und eine neue Reaktion entwickeln. So bietet uns das bewußte Denken den freien Wil­len – wir sind also nicht einfach nur Opfer unserer Programmierungen.

 

Um das zu nut­zen, muß man jedoch sehr bewußt handeln, sonst übernimmt einfach die Programmie­rung das Geschehen. Das ist nicht einfach, wie jeder weiß, der es schon ausprobiert hat. Die unterbewußten Programme setzen ein, sobald das bewußte Denken nicht aufpaßt.

 

Das bewußte Denken ist auch in der Lage, in der Zeit vorwärts und rückwärts zu den­ken, während das Unterbewußtsein immer im gegenwärtigen Zeitpunkt agiert. Während das bewußte Denken vielleicht vor sich hinträumt, zukünftige Pläne entwirft oder ver­gangenen Ereignissen nachhängt, ist das Unterbewußtsein immer auf Draht, um das Verhalten zu steuern, das gerade erforderlich ist, ohne daß sich das bewußte Denken darum kümmern muß.

 

Diese beiden Denkarten sind ein wirklich phänomenales Gespann, doch es kann auch einmal etwas schiefgehen. Das bewußte Denken ist das Selbst, die Stimme unserer eige­nen Gedanken. Es kann großartige Visionen und Pläne für eine Zukunft voller Liebe, Gesundheit und Wohlstand haben. Doch wer kümmert sich in der Zwischenzeit ums Ta­gesgeschäft, während wir ganz mit unseren schönen Gedanken beschäftigt sind? Das Unterbewußtsein. Und wie geht es diesen Geschäften nach? Genauso wie es program­miert wurde. Das Verhalten, das unser Unterbewußtsein an den Tag legt, wenn wir nicht aufpassen, entspricht nicht immer unseren Zielen, denn die meisten unserer grundlegen­den Verhaltensweisen wurden durch die Beobachtung anderer Menschen programmiert.

 

Und gerade weil unsere unbewußten Verhaltensweisen eben nicht willensgesteuert und bewußt ablaufen, reagieren die meisten Menschen überrascht, wenn sie von anderen hö­ren, daß sie »genauso sind wie ihre Mutter oder ihr Vater«, wie jene Menschen also, die ihr Unterbewußtsein programmiert haben.

 

Die von unseren Eltern, Freunden, Lehrern und anderen Vorbildern erlernten Verhal­tensweisen und Überzeugungen stimmen nicht immer mit unseren eigenen Zielen und Wünschen überein.

 

Das größte Hindernis für die Erfüllung unserer Träume sind die in unserem Unterbewußtsein fest programmierten Selbstbeschränkungen. Diese beeinflus­sen nicht nur unser Verhalten, sie können auch für unsere Physiologie und unsere Ge­sundheit eine wesentliche Rolle spielen.

 

Wie wir bereits gesehen haben, hat unser Den­ken eine bemerkenswerte Wirkung auf unser biologisches System. Doch die Natur hat uns schließlich nicht mit zwei Arten des Denkens gesegnet, um uns zu ärgern. Diese Dualität bietet uns vielmehr einen einzigartigen Vorteil im Leben.

 

Se­hen Sie es einmal so: Wie wäre es, wenn wir bewußte Eltern und Lehrer hätten, die uns großartige Vorbilder wären und mit all ihren Mitmenschen menschliche und gleichbe­rechtigte Beziehungen führten, die allen zum Nutzen wären? Dann würde unser Unter­bewußtsein von Anfang an mit so gesunden Programmen gefüttert, daß wir ein voll­kommen zufriedenes und erfolgreiches Leben führen würden, ohne uns dessen auch nur im Geringsten bewußt zu sein und ohne es je richtig schätzen zu können!