IZ: 5.4 Wie der Geist den Körper steuert

Meine Erkenntnis, daß unsere tiefen Überzeugungen biologische Prozesse steuern kön­
nen, beruhen auf meinen Studien mit geklonten Endothelialzellen (Zellen aus der Innen­
wand der Blutgefäße). Die Endothelialzellen meiner Kulturen beobachteten ihre Um­
welt genau und veränderten ihr Verhalten je nach den ihnen zur Verfügung stehenden
Informationen. Wenn ich ihnen Nährstoffe gab, bewegten sie sich auf diese Nährstoffe
mit »offenen Armen« zu. Wenn ich ihre Umgebung vergiftete, zogen sich die Zellen
von diesem Reiz zurück und versuchten, sich vor diesen schrecklichen Stoffen zu schüt­
zen. Meine Forschung konzentrierte sich auf die »Wahrnehmungsschalter« in der Mem­
bran, die den Übergang von dem einen zum anderen Verhalten steuern.

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Der wichtigste dieser Schalter, mit dem ich mich befaßte, hat einen Proteinrezeptor, der
auf Histamin reagiert, ein Molekül, das der Körper als eine Art Alarmsystem einsetzt.
Ich fand zwei verschiedene Arten von Schaltern, H1 und H2, die auf das gleiche Hista­
minsignal reagieren. Wenn sie aktiviert werden, rufen die Schalter der H1-Histamin­
rezeptoren eine Schutzreaktion hervor, ähnlich wie die Zellen in den Kulturschalen mit
giftiger Umgebung. Die Schalter der H2-Histaminrezeptoren rufen dagegen einen
Wachstumsimpuls hervor, ähnlich wie in den Kulturen, denen ich Nährstoffe gegeben
hatte. Ich erfuhr dann, daß das Signal Adrenalin, mit dem der Körper auf allgemeine
Notsituationen reagiert, auch zwei verschiedene adrenalinsensitive Rezeptoren hat, die
Alpha und Beta genannt werden. Die Adrenalinrezeptoren führten zum gleichen Zell­
verhalten wie es beim Histamin zustandekam. Wenn in einem IMP-Schalter ein Alpha-
Adrenalinrezeptor sitzt, dann löst die Anwesenheit von Adrenalin eine Schutzreaktion
aus. Wenn zu dem Schalter ein Beta-Rezeptor gehört, aktiviert das gleiche Adrenalinsi­
gnal eine Wachstumsreaktion [Lipton, et al 1992].
Das alles war schon ganz interessant, doch meine aufregendste Entdeckung bestand dar­
in, was geschah, wenn ich meinen Zellkulturen gleichzeitig Histamin und Adrenalin zu­
fügte. Ich stellte fest, daß die vom Zentralnervensystem freigesetzten Adrenalinsignale
stärker sind als die lokal erzeugten Histaminsignale. An dieser Stelle kommt die bereits
zuvor beschriebene hierarchische Ordnung von Gemeinschaft ins Spiel. Angenommen,
Sie arbeiten in einer Bank und ihr Abteilungsleiter gibt Ihnen eine Anweisung. Dann
kommt der Direktor herein und gibt Ihnen genau die entgegengesetzte Order. Welchem
Auftrag würden Sie folgen? Wenn Sie Ihren Job behalten wollen, machen Sie natürlich
das, was der Direktor sagt. In Ihrer Biologie gibt es eine ähnliche Hierarchie. Im Zwei­
felsfall folgen die Zellen den Anweisungen des Oberbosses des Nervensystems, selbst
wenn es einem örtlichen Reiz widerspricht.
Ich fand meine Ergebnisse sehr aufregend, denn ich war davon überzeugt, daß sie auf
der Ebene der einzelnen Zelle etwas aussagten, was sich auf mehrzellige Organismen
übertragen ließ, nämlich daß der Geist – über das Adrenalin des zentralen Nervensys­
tems – stärker ist als der Körper, dem das lokale Histaminsignal entspricht. Ich wollte
die Konsequenzen dieser Entdeckung in meinem Forschungsbericht erläutern, doch
meine Kollegen traf fast der Schlag bei der Vorstellung, daß in einem zellbiologischen
Bericht etwas über die Beziehung zwischen Geist und Körper stehen sollte. Also fügte
ich nur einen kryptischen Kommentar über die Bedeutung dieser Studie hinzu, ohne zu
erklären, worin diese Bedeutung bestand. Meine Kollegen wollten nicht, daß ich diese
Dinge in meinen Bericht aufnahm, da der Geist kein anerkanntes biologisches Modell
abgibt. Biologen sind Newtonianer – wenn etwas keine Materie hat, dann zählt es nicht.
Der Geist ist eine nicht örtlich bestimmbare Energie und spielt daher für die materiege­
bundene Biologie keine Rolle. Leider ist auch diese Wahrnehmung eine erlernte Über­
zeugung, die sich im Quantenuniversum als grundlegend verkehrt erwiesen hat!
5.5 Placebos: Die Wirkung von Überzeugungen