2022/06: Schweden und Finnland : Türkei unterstützt Nato-Beitritt nun doch

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Die Türkei hatte sich lange quergestellt, nun willigt sie ein: Schweden und Finnland können in die Nato aufgenommen werden.

 

Finnland und Schweden wollen in die NATO und die NATO-Staaten wollen das auch. Nur der türkische Präsident Erdogan sperrte sich bis zur Einigung heute gegen ihren Beitritt. Den beiden Ländern hatte er vorgeworfen, kurdische Extremisten zu unterstützen.

Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato aufgegeben. Die Türkei werde während des Nato-Gipfels in Madrid die Einladung an die beiden nordischen Länder, Bündnismitglied zu werden, unterstützen, teilte der finnische Präsident Sauli Niinistö mit.

 

Es gebe eine Vereinbarung, die den Weg für die Aufnahme der beiden nordeuropäischen Staaten in das westliche Militärbündnis freimache, sagte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem Treffen mit Niinistö, Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

 

ZDF-Korrespondent Neuhann berichtet aus Madrid, nicht nur Schweden und Finnland profitierten von der NATO, sondern auch das Büdnins von ihnen. Sie hätten „besonders leistungsfähige Armeen“ und seien wertvoll beim Schutz der verletzlichen NATO-Ostflanke.

Gemeinsames Memorandum

Ein entsprechendes Memorandum sei nach dem Treffen von den Außenministern der drei Länder unterschrieben worden.

 
 

Das gemeinsame Memorandum unterstreiche die Verpflichtung Finnlands, Schwedens und der Türkei, ihre volle Unterstützung gegen die Bedrohung der Sicherheit des jeweils anderen Landes zu gewährleisten, hieß es in der Mitteilung des finnischen Präsidenten: „Dass wir Nato-Bündnispartner werden, wird diese Verpflichtung noch verstärken“.

Türkei blockierte Aufnahme-Prozess

Finnland und Schweden sind bislang keine Nato-Mitglieder, aber enge Partner des Verteidigungsbündnisses. Russlands Einmarsch in die Ukraine löste jedoch in den beiden militärisch bisher bündnisfreien Ländern intensive Debatten über eine solche Mitgliedschaft aus. Am 18. Mai beantragten sie jeweils die Aufnahme in die Nato – in der Hoffnung, das Prozedere bis zum letztlichen Beitritt möglichst schnell durchlaufen zu können.

 

Der türkische Präsident Erdogan versuche mit seiner Blockade der Nato-Erweiterung um Schweden und Finnland den Preis für eigene Forderungen hochzutreiben.

Die Türkei schob dem allerdings prompt einen Riegel vor, indem sie als einziges Nato-Mitglied den Beginn des Aufnahmeprozesses blockierte. Da Entscheidungen in der Nato nach dem Konsensprinzip und damit nicht gegen den Widerstand von Verbündeten getroffen werden, stockte der Prozess seitdem. Für das Bündnis war das ein unerwarteter Rückschlag, schließlich bemüht es sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine darum, Einheit und Geschlossenheit zu zeigen.

Vorwürfe und Forderungen aus Ankara

Ankara begründete seine Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von „Terrororganisationen“ wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der syrischen Kurdenmiliz YPG und der Gülen-Bewegung – in Stockholm und Helsinki wird das zurückgewiesen. Ankara forderte die Auslieferung mehrerer Menschen, die in der Türkei unter Terrorverdacht stehen.

 

„Schweden ist für Erdogan – für diesen Beitritt zur NATO – an die Grenzen seiner Überzeugung gegangen, fast auch an die Grenzen seines Rechtsstaates“, so ZDF-Korrespondent Gunnar Krüger in Madrid.

Erdogan ging es darüber hinaus um die Aufhebung von Beschränkungen für Waffenexporte in die Türkei. Nato-Partner wie Deutschland, aber auch andere EU-Länder wie Schweden haben aus Protest gegen eine türkische Offensive gegen die YPG in Nordsyrien im Jahr 2019 Rüstungslieferungen in die Türkei teilweise gestoppt.

Stoltenberg vermittelt

Die Türkei betrachtet das als Affront, da sie den Einsatz in Syrien als notwendigen Schritt im Kampf gegen den Terrorismus ansieht. Stoltenberg versuchte zuletzt, zwischen der Türkei und den beiden möglichen künftigen Mitgliedern zu vermitteln. Er betonte mehrmals, dass man die türkischen Einwände ernstnehmen müsse – offenbar wurde das nun getan.

 

Die Türkei ist gegen die geplanten Nato-Beitritte, weil Schweden und Finnland dort lebende „Terroristen“ nicht auslieferten, so die Begründung. ZDFheute live zum Boykott Erdogans.

Für Finnland und Schweden geht es in der Nato-Frage um einen historischen Schritt, schließlich sind beide Länder traditionell in militärischer Hinsicht bislang bündnisfrei. Beide betrachten Russland schon seit längerem als Bedrohung. Im finnischen Fall hängt das auch damit zusammen, dass das Land eine mehr als 1.300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat.

1.300 Kilometer Grenze mit Russland

Kein anderes EU-Land grenzt auf solch einer Länge an das Riesenreich. Ursprünglich gab es die Hoffnung, dass Finnland und Schweden noch in diesem Jahr offizielle Nato-Mitglieder werden können. Der Streit mit der Türkei hat Zweifel aufgeworfen, ob dieser lose Zeitplan hält.

 

Nach dem Abschluss des Aufnahmeverfahrens innerhalb der Nato müssen die Beitrittsprotokolle von den Parlamenten in allen 30 Bündnisstaaten ratifiziert werden, was Schätzungen von Diplomaten zufolge innerhalb von sechs bis acht Monaten abgeschlossen sein dürfte.

 

Noch vor kurzem war die NATO in der Krise: zermürbt von vier Jahren Trump, gezeichnet vom Desaster in Afghanistan, vom französischen Präsidenten als „hirntot“ abgeschrieben.