23 Die trügerische Personalakte

Während ich in Kolumbien war, traf die Nachricht ein, daß Jake Dauber als oberster Chef von MAIN in den Ruhestand gegangen war. Wie erwartet ernannte der Vorsitzende und CEO Mac Hall Bruno zu Daubers Nachfolger. Die Telefonleitungen zwischen Boston und Barranquilla liefen heiß. Jeder prophezeite, daß auch ich schon bald befördert werden würde; schließlich war ich einer von Brunos Protegés, dessen volles Vertrauen ich genoß. Die Veränderungen und Gerüchte waren ein weiterer Anlaß für mich, meine eigene Position zu überdenken. Während ich noch in Kolumbien war, folgte ich Paulas Rat und las die spanische Version meines Lebenslaufs. Ich war schockiert. Wieder in Boston holte ich mir das englische Original und die Novemberausgabe unseres Firmenmagazins MAINLINES aus dem Jahr 1978. Darin war ein Artikel über mich mit dem Titel »Spezialisten bieten MAIN-Kunden neue Dienstleistungen an«. Ich war einmal sehr stolz auf meinen Lebenslauf und diesen Artikel gewesen, aber als ich ihn mit den Augen Paulas betrachtete, wurde ich zusehends wütend und deprimiert. Die Dokumente täuschten den Leser bewußt, wenn sie ihn nicht sogar belogen. Außerdem hatten sie eine tiefere Bedeutung und spiegelten eine Realität, die unsere Zeit und unseren globalen Herrschaftsanspruch ausdrückte: Die Dokumente kündeten von der Strategie und dem Kalkül, den Schein zu wahren und die tiefer liegende Realität zu verbergen. Auf seltsame Weise symbolisierten sie meine Lebensgeschichte, eine glänzende
Außenhülle, bedeckt von einer synthetischen Oberfläche. Natürlich war es kein Trost für mich, daß ich die Verantwortung für den Inhalt meines Lebenslaufs größtenteils selbst übernehmen mußte. Allgemein wurde erwartet, daß man seinen Lebenslauf und seine Personalakte ständig mit Hintergrundinformationen über Kunden und seine Arbeit aktualisierte. Wenn jemand aus der Marketingabteilung oder ein Projektleiter mich in ein Angebot einbeziehen wollte oder meine Referenzen anderweitig benötigte, konnte er die Grunddaten so zusammenstellen, wie er sie gerade brauchte.


Zum Beispiel konnte er meine Erfahrungen im Nahen Osten hervorheben oder meine Vorträge vor der Weltbank und anderen multinationalen Foren. Natürlich mußte er meine Genehmigung einholen, wenn er meinen veränderten Lebenslauf verschickte. Aber da ich wie viele MAIN-Mitarbeiter häufig auf Reisen war, wurden oft Ausnahmen geaulas Vorschlag hin ansah, völlig neu für mich, obwohl die Informationen ausnahmslos aus meiner Personalakte stammt. Auf den ersten Blick wirkte mein Lebenslauf völlig harmlos. Unter Erfahrung wurde aufgeführt, daß ich für große Projekte in den USA, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten verantwortlich gewesen war. Dann folgte eine bunt zusammengewürfelte Liste mit den Projekten: Entwicklungsplanung, Wirtschaftsprognosen, Prognosen zum Stromverbrauch und so weiter. Der Abschnitt endete mit der Beschreibung meiner Arbeit für das Peace Corps in Ecuador, allerdings wurde das Peace Corps nicht genannt. So entstand der Eindruck, daß ich Manager einer Firma für Baumaterialien gewesen wäre, anstatt freiwillig einer kleinen Kooperative zu helfen, in der Kleinbauern aus den Anden, die weder lesen noch schreiben konnten, Lehmziegel herstellten. Dann kam eine lange Liste mit Kunden. Dort wurde die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (die offizielle Bezeichnung der Weltbank) aufgeführt, die Asiatische Entwicklungsbank, die Regierung von Kuwait, das iranische Energieministerium, die Arabian-American Oil Company of Saudi Arabia, das Instituto de Recursos Hidraulicos y Electrificación, Perusahaan Umum Listrik Negara und viele andere. Mir stach jedoch besonders der letzte Eintrag ins Auge: US-Finanzministerium, Vereinigtes Königreich von Saudi-Arabien. Ich war überrascht, daß dieser Eintrag in Druck gegangen war, auch wenn er natürlich in meiner Personalakte stand.

 

Ich legte den Lebenslauf beiseite und wandte mich dem Artikel in Mainlines zu. Ich erinnerte mich noch gut an das Interview mit der Verfasserin, einer talentierten und engagierten jungen Frau. Vor der Veröffentlichung hatte sie mir den Artikel zu lesen gegeben. Ich war erfreut gewesen, daß sie mich so schmeichelhaft dargestellt hatte, und genehmigte die Veröffentlichung unverzüglich. Wieder einmal hatte ich das selbst zu verantworten. Der Artikel begann: Betrachtet man die Gesichter der Mitarbeiter hinter den Schreibtischen, erkennt man gleich, daß die Abteilung Wirtschaft und regionale Entwicklung eines der jüngsten und am schnellsten wachsenden Geschäftsfelder von MAIN ist … Beim Aufbau der Abteilung Wirtschaft waren natürlich viele Menschen beteiligt, aber im Grunde verdankt sie ihre Entstehung einem Mann: John Perkins, der heute Leiter der Abteilung ist. John wurde im Januar 1971 als Assistent des für Stromlastprognose zuständigen Ingenieurs eingestellt und war damals einer der wenigen Betriebswirte, die für MAIN arbeiteten. Bei seinem ersten Auftrag wurde er mit einem Team von insgesamt elf Mann nach Indonesien geschickt, wo eine Untersuchung zum Strombedarf durchgeführt wurde. Im Artikel wurde kurz darauf eingegangen, was ich gemacht hatte, bevor ich zu MAIN gekommen war. Ich hätte »drei Jahre in Ecuador verbracht«, hieß es, um dann fortzufahren: In jener Zeit lernte John Perkins Einar Greve (einen ehemaligen Mitarbeiter) kennen [Einar hatte MAIN inzwischen verlassen und war Präsident der Tucson Gas & Electric Company] geworden. Greve arbeitete in der Stadt Paute, Ecuador, an einem Staudammprojekt für MAIN. Die beiden freundeten sich an und blieben in Briefkontakt. Durch diesen Kontakt wurde John eine Stelle bei MAIN angeboten. Etwa ein Jahr später war John zuständig für die Erstellung der Lastprognosen. Weil die Anfragen von Kunden und Instituten wie der Weltbank zunahmen, erkannte er, daß bei MAIN mehr Wirtschaftswissenschaftler gebraucht wurden.


Alle Angaben in den Dokumenten entsprachen der Wahrheit – die zugrunde liegenden Dokumente steckten in meiner Personalakte. Allerdings war die Aussage meiner Meinung nach verdreht und bereinigt. Und in einer Kultur, die offizielle Dokumente geradezu verehrt, verbargen sich dahinter eindeutig finstere Absichten. Faustdicke Lügen kann man entlarven. Dokumente wie diese kann man unmöglich widerlegen, weil sie auf dem berühmten Körnchen Wahrheit basieren. Sie ließen keine offensichtliche Täuschungsabsicht erkennen, außerdem stammten die Unterlagen von einer Firma, die das Vertrauen anderer Unternehmen, internationaler Banken und Regierungen genoß. Das traf vor allem für meinen Lebenslauf zu, denn er war anders als der Artikel in der Zeitschrift, der ein Interview mit mir wiedergab, ein offizielles Dokument. Das Logo von MAIN, das unten auf der Seite des Lebenslaufs stand und wahrscheinlich alle Angebote und Berichte zierte, die mit dem Lebenslauf verschickt wurden, hatte in der internationalen Geschäftswelt großes Gewicht, es war eine Art Qualitätssiegel und flößte genauso viel Vertrauen ein wie die Siegel und Stempel auf Diplomen und gerahmten Zertifikaten, die in Arzt- und Anwaltspraxen hängen. In den Dokumenten wurde ich als äußerst kompetenter  Wirtschaftswissenschaftler dargestellt, Abteilungsleiter bei einer renommierten Unternehmensberatung. Ein Mann, der in der Welt herumreiste und eine breite Palette von Untersuchungen durchführte, mit denen die Welt zivilisierter und wohlhabender wurde. Die Täuschung bestand nicht in dem, was gesagt wurde, sondern in dem, was ausgelassen wurde. Wenn ich die Dokumente aus der Perspektive eines Außenstehenden betrachtete und alles ganz objektiv sah, mußte ich zugeben, daß die Auslassungen viele Fragen aufwarfen.


Zum Beispiel wurden meine Rekrutierung durch die NSA oder Einar Greves Verbindung zum Militär und seine Rolle als Verbindungsmann der NSA nicht erwähnt. Daß ich unter enormem Druck stand, aufgeblähte Wirtschaftsprognosen zu erstellen, wurde ebenso verschwiegen wie die Tatsache, daß meine Arbeit größtenteils darin bestand, hohe Kredite zu arrangieren, die Länder wie Indonesien und Panama nie zurückzahlen
konnten. Über die Integrität meines Vorgängers Howard Parker wurde kein Wort verloren. Ich war sein Nachfolger geworden, weil ich bereit war, die tendenziösen Prognosen zu liefern, die mein Chef wollte, anstatt wie Howard meine ehrliche Meinung zu sagen und dafür gefeuert zu werden. Besonders verwirrend war der letzte Eintrag in der Liste meiner Kunden: US-Finanzministerium, Königreich Saudi-Arabien.


Ich las die Zeile immer wieder und fragte mich, wie man sie interpretieren würde. Gut möglich, daß manche Leser sich fragten, welche Verbindungen das amerikanische Finanzministerium mit Saudi-Arabien hatte. Vielleicht sahen manche darin einen Redaktionsfehler, zwei verschiedene Zeilen, die versehentlich zu einer zusammengezogen wurden? Die meisten Leser würden nie die Wahrheit erraten. Die Angabe hatte einen ganz bestimmten Grund. Sie sollte den Eingeweihten sagen, daß ich zu dem Team gehört hatte, das den Deal des Jahrhunderts abgeschlossen hatte, den Deal, der den Gang der Weltgeschichte veränderte, der aber nie in die Zeitungen gelangte. Mit meiner Hilfe kam ein Abkommen zustande, das kontinuierliche Öllieferungen für Amerika garantierte, die Herrschaft des Hauses Saud absicherte und Osama bin Laden mitfinanzierte und Verbrecher und Diktatoren wie Idi Amin aus Uganda schützte. Diese einzelne Zeile in meinem Lebenslauf sprach all jene an, die Bescheid wußten. Sie besagte, daß der Chefvolkswirt von MAIN ganz besonderen Aufgaben gewachsen war.

 

Der letzte Abschnitt des Artikels in der Unternehmenszeitschrift enthielt eine persönliche Beobachtung der Verfasserin. Sie traf damit einen wunden Punkt: Das Wachstum der Abteilung Wirtschaft und Regionalplanung verlief rasant, dennoch hat John das Gefühl, Glück gehabt zu haben, denn jede Neueinstellung erwies sich als professionelle, hart arbeitende Kraft. Als er mir gegenüber an seinem Schreibtisch saß und mit mir sprach, konnte man eindeutig erkennen, daß er seinen Untergebenen Interesse entgegenbringt und sie nach Kräften unterstützt. Ein bewundernswerter Zug! Ich hatte mich nie als Wirtschaftswissenschaftler betrachtet. Ich hatte an der Boston University einen Abschluß als Bachelor in Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing gemacht. In Mathematik und Statistik war ich immer schlecht gewesen. Am Middlebury College war mein Hauptfach Amerikanische Literatur; Schreiben war mir stets leicht gefallen. Meine Position als Chefvolkswirt und Manager der Abteilung Wirtschaft und Regionalplanung hatte ich nicht meinen Fähigkeiten im Bereich Wirtschaftswissenschaften oder Planung zu verdanken, sondern sie war das Ergebnis meiner Bereitschaft, die Analysen und Schlußfolgerungen zu liefern, die meine Vorgesetzten und Kunden verlangten. Hinzu kam vielleicht noch meine natürliche Begabung, andere mit meinem Schreibstil zu überzeugen. Außerdem war ich so schlau, kompetente Leute einzustellen, von denen viele einen Master-Abschluß, einige sogar einen Doktortitel hatten. Meine Mitarbeiter wußten weit mehr über die technische Seite unseres Geschäfts als ich. Kein Wunder, daß die Autorin des Artikels zu dem Schluß kam, es sei ein bewundernswerter Zug, daß ich meinen Untergebenen so großes Interesse entgegenbrachte und sie nach
Kräften unterstützte.


Ich bewahrte die beiden Dokumente und noch verschiedene andere ähnlicher Machart in der obersten Schublade meines Schreibtischs auf und sah sie mir häufig an. Danach verließ ich oft mein Büro, wanderte zwischen den Schreibtischen meiner Mitarbeiter umher und betrachtete die Männer und Frauen, die für mich arbeiteten. Ich fühlte mich schuldig für das, was ich ihnen angetan hatte, für die Rolle, die wir alle dabei spielten, die Kluft zwischen Arm und Reich zu vergrößern. Ich dachte an die Menschen, die jeden Tag verhungerten, während meine Mitarbeiter und ich in erstklassigen Hotels übernachteten, in den feinsten Restaurants aßen und unser Vermögen mehrten. Ich dachte daran, daß Leute, die ich ausgebildet hatte, jetzt EHM waren. Ich hatte sie in dieses schmutzige Geschäft hineingezogen. Ich hatte sie angeworben und ausgebildet. Allerdings gab es deutliche Unterschiede zu meiner Ausbildung. Die Welt hatte sich verändert, die Korporatokratie hatte Fortschritte gemacht. Wir waren besser oder bösartiger geworden und richteten größeren Schaden an. Die Leute, die für mich arbeiteten, waren anders. In ihrem Leben hatte es kein Verhör bei der NSA mit Lügendetektor gegeben, und auch keine Claudine. Niemand hatte ihnen klipp und klar gesagt, daß von ihnen die Umsetzung imperialer Ambitionen erwartet wurde. Sie hatten nie die Bezeichnung Economic Hit Man, nicht einmal das Kürzel EHM gehört, man hatte ihnen auch nicht gesagt, daß ihre Arbeit eine Verpflichtung auf Lebenszeit war. Sie waren einfach meinem Beispiel gefolgt, hatten anhand meines Systems von Belohnung und Strafe gelernt. Sie wußten, daß sie die Prognosen und Ergebnisse liefern mußten, die ich erwartete. Ihr Gehalt, ihre Weihnachtszulage und auch ihre Stelle hing davon ab, daß sie mich zufriedenstellten.


Ich hatte natürlich alles Erdenkliche getan, um ihnen ihre Arbeit zu erleichtern. Ich hatte Anleitungen verfaßt, Fortbildungen veranstaltet und alle Möglichkeiten genützt, sie zu überzeugen, wie wichtig die optimistischen Prognosen, enormen Kredite und Kapitalzuschüsse waren, mit denen das Bruttoinlandsprodukt wachsen und die Welt besser werden sollte. In weniger als zehn Jahren hatten wir einen Punkt erreicht, an dem die Verführung und der Zwang eine viel subtilere Form angenommen hatten, eine Art sanfte Gehirnwäsche. Nun zogen die Männer und Frauen, die an den Schreibtischen vor meinem Büro mit Blick über die Bostoner Back Bay saßen, hinaus in die Welt und setzten den globalen Herrschaftsanspruch der Korporatokratie um. In einem sehr realen Sinn hatte ich sie geschaffen, so wie Claudine mich geschaffen hatte. Aber im Gegensatz zu mir hatte man sie über den Zweck ihrer Arbeit im Unklaren gelassen. Viele Nächte lang lag ich wach und grübelte. Paulas Hinweis auf meinen Lebenslauf hatte die Büchse der Pandora geöffnet. Oft beneidete ich meine Untergebenen um ihre Ahnungslosigkeit. Ich hatte sie bewußt getäuscht und sie damit auch vor Gewissensbissen bewahrt. Sie mußten sich nicht mit den moralischen Fragen auseinandersetzen, die mich quälten.


Ich dachte auch viel über Integrität in der Geschäftswelt nach, über Schein und Wirklichkeit. Natürlich, beruhigte ich mich, haben die Menschen sich seit Anbeginn der Zeiten betrogen. In Legenden und Überlieferungen gibt es zahlreiche Geschichten über die Verzerrung der Wahrheit und betrügerische Vereinbarungen: über betrügerische
Teppichhändler, Wucherer und Schneider, die dem Kaiser weismachen, daß seine neuen Kleider nur für ihn unsichtbar sind. Aber so gern ich auch geglaubt hätte, daß es schon immer so gewesen sei, daß die Fassade meines Lebenslaufs und die Wirklichkeit, die sich dahinter verbarg, nur typische Beispiele für die menschliche Natur waren, wußte ich tief in meinem Herzen, daß das hier etwas anderes war. Die Dinge hatten sich verändert. Ich verstand nun, daß wir eine neue Ebene der Täuschung erreicht hatten, eine, die zu unserer Vernichtung führen wird – nicht nur moralisch, sondern auch physisch als Kultur, wenn wir nicht bald etwas ändern.


Das organisierte Verbrechen bietet eine passende Metapher. Mafiabosse beginnen ihre Karriere oft als Schläger auf der Straße. Aber im Lauf der Zeit verändern diejenigen, die es bis an die Spitze schaffen, ihr Aussehen. Sie tragen edle Maßanzüge, machen legale Geschäfte und umgeben sich mit einem Mäntelchen des Anstands. Sie unterstützen lokale Wohltätigkeitsorganisationen und werden in ihrer Gemeinde geschätzt. Sie verleihen bereitwillig Geld an Leute, die in Not sind. Wie der John Perkins im Lebenslauf von MAIN sind diese Männer scheinbar mustergültige Bürger. Doch an ihren Händen klebt Blut, auch wenn die äußere Fassade nichts davon verrät. Wenn die Schuldner nicht zahlen können, kommen die Schuldeneintreiber. Wenn sie nichts erreichen, sind die Schakale mit den Baseballschlägern an der Reihe. Und schließlich bleiben als letzte Möglichkeit noch die Schußwaffen. Ich erkannte, daß der schöne Schein des Chefvolkswirts und Leiter der Abteilung Wirtschaft und Regionalplanung nicht mit den simplen Täuschungsmanövern der Teppichhändler zu vergleichen war. Der Teppichkäufer konnte dem Händler auf die Schliche kommen, mir hingegen kam niemand auf die Schliche. Ich war Teil eines Systems, das nicht darauf zielte, einen ahnungslosen Kunden zu übertölpeln. Wir trieben eine subtile und sehr effektive Form des Imperialismus voran, die subtilste, die die Welt je erlebt hat. Jeder meiner Mitarbeiter hatte einen Titel – Finanzanalyst, Soziologe, Betriebswirt, Wirtschaftsexperte, Ökonometrist und so weiter. Aber keiner dieser Titel deutete darauf hin, daß jeder auf seine Art ein EHM war und daß wir alle imperialen Ambitionen dienten.


Die Existenz dieser Titel bei meinen Mitarbeitern ließ auch nicht darauf schließen, daß wir nur die Spitze des Eisbergs waren. Jedes große internationale Unternehmen, ob es nun Schuhe und Sportartikel herstellte oder im Maschinenbau tätig war, hatte seine eigenen EHM. Der Marsch hatte begonnen, die Welt wurde umzingelt. Die Gangster hatten die Lederjacken abgelegt, trugen nun Anzüge und spielten die ehrbaren Herren. Frauen und Männer verließen die Konzernzentralen in New York, Chicago, San Francisco, London und Tokio und bestachen auf allen Kontinenten korrupte Politiker, die anschließend ihre Länder der Korporatokratie auslieferten und verzweifelte Menschen dazu brachten, sich in Sweatshops und an Fließbändern zu verdingen. Die Erkenntnis, daß die unausgesprochenen Details hinter den Wörtern und Sätzen meines Lebenslaufs und des Artikels eine Scheinwelt definierten, die uns alle an ein System fesselte, das moralisch abstoßend und letztendlich selbstzerstörerisch ist, brachte mich aus dem Gleichgewicht. Paula hatte mich dazu gebracht, zwischen den Zeilen zu lesen. Das war ein weiterer Schritt auf dem Weg, der mein Leben für immer veränderte.